Gesichtserkennung führt zu falschen Verhaftungen

Laut einem Bericht der New York Times hat Gesichtserkennung in den USA in drei Fällen zu falschen Verhaftungen geführt. Nijeer Parks die dritte bekannte Person, die aufgrund einer schlechten Gesichtserkennung fälschlicherweise für ein Verbrechen verhaftet wurde, das sie nicht begangen hat. Die anderen beiden waren Robert Williams und Michael Oliver. Alle drei fälschlicherweise verhafteten Männer sind schwarz.

Dieser spezielle Fall begann an einem Samstag im Januar 2019, als zwei Polizeibeamte in Woodbridge, New Jersey, eingriffen, nachdem sie eine Meldung über einen Mann erhalten hatten, der Snacks aus einem Geschenkeladen in einem Hotel stahl. Bei dem mutmaßlichen Ladendieb handelte es sich um einen schwarzen Mann, der fast 1,80 m groß war und eine schwarze Jacke trug. Er suchte angeblich ein Hertz-Büro in der Hotellobby auf und versuchte, den Mietvertrag für einen grauen Dodge Challenger verlängern zu lassen.

Die Beamten konfrontierten ihn, und er entschuldigte sich, so der Polizeibericht. Laut der New York Times sagte der Verdächtige, dass er für die Snacks bezahlen würde und gab den Beamten einen Führerschein aus Tennessee. Als die Beamten den Führerschein überprüften, stellten sie fest, dass es sich um einen gefälschten Führerschein handelte. Dies führte dazu, dass die Beamten versuchten, den Verdächtigen zu verhaften. Doch der Verdächtige rannte weg und fuhr mit seinem Mietwagen davon, wobei er ein geparktes Polizeiauto sowie eine Säule vor dem Hotel rammte. Einer der Polizeibeamten musste dem Fahrzeug ausweichen, um nicht getroffen zu werden. Der Mietwagen wurde später verlassen auf einem Parkplatz gefunden.

Anschließend schickte das Police Department das Foto des gefälschten Führerscheins an staatliche Behörden, die Zugang zur Gesichtserkennungstechnologie hatten. Am nächsten Tag meldeten die staatlichen Ermittler einen Treffer bei der Gesichtserkennung: Es handelte sich um Nijeer Parks, der in Paterson, N.J., 30 Meilen entfernt, lebte und in einem Lebensmittelgeschäft arbeitete.

Die Polizei verglich Parks‘ Ausweis aus New Jersey mit dem gefälschten Führerschein aus Tennessee und war sich sicher, dass es sich um dieselbe Person handelte. Nachdem ein Mitarbeiter von Hertz bestätigt hatte, dass das Führerscheinfoto von dem Ladendieb stammte, stellte die Polizei einen Haftbefehl gegen Parks aus, der bereits wegen des Verkaufs von Drogen verurteilt worden war.

Parks war allerdings zum Zeitpunkt des Vorfalls 30 Meilen entfernt, aber dennoch wurde er von der örtlichen Polizei verhaftet und verbrachte zehn Tage im Gefängnis, verbunden mit der Zahlung von rund 5.000 Dollar für seine Verteidigung. Parks war in der Lage, die Bestätigung von Western Union zu bekommen, dass er in einer Apotheke in Haledon (New Jersey) Geld verschickt hatte, als der Vorfall passierte. Sein Fall wurde aus Mangel an Beweisen abgewiesen.

Parks verklagt nun  die Polizei, den Staatsanwalt und die Stadt Woodbridge wegen falscher Verhaftung, falscher Inhaftierung und Verletzung seiner Bürgerrechte. Sein Anwalt ist der Auffassung, dass es sich bei der verwendeten Technologie um Clearview AI handelt. Der Generalstaatsanwalt von New Jersey, Gurbir S. Grewal, verhängte ein Moratorium für den Einsatz von Clearview bei der Polizei und kündigte eine Untersuchung „dieses Produkts oder ähnlicher Produkte“ an.

Der Fall erregte die Aufmerksamkeit der American Civil Liberties Union (ACLU), die sich wenig überrascht zeigte, dass alle drei bisher bekannten falschen Verhaftungen schwarze Männer betrafen. Der Einsatz der Gesichtserkennungstechnologie durch die Strafverfolgungsbehörden müsse sofort gestoppt werden.

Gesichtserkennungssysteme standen schon zuvor in der Kritik, nachdem eine Untersuchung des Government Accountability Office herausgefunden hatte, dass die Algorithmen des FBI in 14 Prozent der Fälle ungenau waren und außerdem mit höherer Wahrscheinlichkeit Schwarze falsch identifizierten.

Einige Tech-Firmen wollen deshalb die Lieferung der Technologie an Polizeikräfte zu boykottieren. Microsoft weigerte sich zunächst vor etwa einem Jahr, Gesichtserkennungstechnologie für eine US-Polizeibehörde zu installieren, da es Bedenken wegen der Voreingenommenheit der künstlichen Intelligenz (KI) gab. Diesem Boykott schlossen sich in der Folge Amazon und IBM an. Microsoft hat eine große Gesichtserkennungsdatenbank gelöscht, die 10 Millionen Bilder enthalten haben soll, die zum Training von Gesichtserkennungssystemen verwendet wurden.

Die Stadt San Francisco verbot den Einsatz der Gesichtserkennungstechnologie, was bedeutet, dass lokale Behörden wie die örtliche Polizei und andere städtische Behörden wie das Transportwesen die Technologie in keinem ihrer Systeme nutzen können.

Die Polizei befürwortet andernorts jedoch nach wie vor den Einsatz der Technologie. In Deutschland nutzt das Bundeskriminalamt (BKA) seit 2008 ein Gesichtserkennungssystem (GES) zur Identifizierung unbekannter Täter. Seit 2016 führen BKA, Bundespolizei und die Landespolizeien pro Jahr mehr als 20.000 Recherchen im GES des BKA durch.

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ZDNet.de Redaktion

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