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Teilerfolg für Apple: US-Richter lehnt Zwangsentsperrung eines iPhone ab

Ein US-Bezirksgericht hat entschieden, dass Apple Ermittlern des FBI nicht gegen seinen Willen helfen muss, ein gesperrtes iPhone zu knacken. Das von der US-Regierung zitierte Gesetz All Writs Act kann nach Ansicht von Richter James Orenstein nicht angewendet werden. Die Regierung Obama lege das Gesetz so weitreichend aus, dass es nicht mehr verfassungsgemäß sei.

Orenstein kritisiert in seiner Urteilsbegründung, dass sich US-Regierung Befugnisse erteilt, die der Kongress nie in Form eines Gesetzes verabschiedet habe. Der Richter sieht darin sogar einen Verstoß gegen die in der Verfassung verankerte Gewaltenteilung, was weit über die von Apple bisher unterstellten Einschränkungen der Meinungsfreiheit und des Rechts auf Eigentum hinausgeht.

„Das ist eine Auslegung, die das Vorrecht des Parlaments, Gesetzesvorschläge effektiv und effizient abzulehnen, untergräbt, und des generellen Schutzes vor einer Gewaltherrschaft, der nach Ansicht der Staatsgründer eine sorgfältige Trennung der Staatsgewalten erfordert“, schreibt der Richter.

In dem von Orenstein verhandelten Fall geht es allerdings nicht um das iPhone des Attentäters von Bernardino, sondern um das Gerät eines Drogenhändlers. Auch hier hatten sich Ermittler auf den All Writs Act berufen, um Apple zu zwingen, den Zugriff auf das gesperrte Gerät zu ermöglichen. Orenstein zufolge hat die Regierung bereits 70-mal den All Writs Act benutzt, um sich Apples Hilfe zu sichern. Derzeit gebe es neun Fälle in vier US-Bundesstaaten mit insgesamt 12 iPhones.

Schon im Oktober hatte der Richter Zweifel an der Auslegung des 227 Jahre alten All Writs Act geäußert. Daraufhin hatte das Unternehmen aus Cupertino Beschwerde gegen die Zwangsentsperrung eingelegt, mit der Begründung, dies schade „dem Vertrauen zwischen Apple und seinen Kunden“ und auch dem Ansehen der Marke Apple.

In seiner Urteilsbegründung weist Orenstein nun darauf hin, dass Apple die Entsperrung eines iPhone nicht aktiv behindert. Der iPhone-Hersteller unternehme schlichtweg – wie von den Ermittlern behauptet – gar nichts. Aus politischer Sicht sei dieser Unterschied möglicherweise unerheblich, für eine rechtliche Beurteilung sei er jedoch sehr wichtig.

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Im Lauf der Verhandlung forderte Orenstein die Anwälte des Justizministeriums auch auf zu erklären, wieso ihre Argumente nicht auch benutzt werden könnten, um beispielsweise ein Pharmaunternehmen zu zwingen, die Regierung mit Giftspritzen für die Vollstreckung von Todesurteilen zu beliefern. Die Antworten der Anwälte stufte Orenstein als unzureichend ein. Außerdem kritisierte er, dass andere US-Behörden behaupteten, sie hätten gesperrte iPhones auch ohne Apples Hilfe geknackt. „Es ist also nicht vom fraglichen Gerät und dem Betriebssystem abhängig, sondern auch davon, welcher Regierungsexperte sich daran versucht. Die Regierung hat in beiden Fällen so viele widersprüchliche Erklärungen abgegeben, dass sie alle als unzuverlässig einzustufen sind.“

Der Richter betonte aber auch, dass es in dem Fall nicht darum geht, ob die Regierung in der Lage sein sollte, Apple zu zwingen, ein bestimmtes Gerät zu entsperren. Es gehe vielmehr darum, ob der All Writs Act die Lösung für dieses und andere künftige Problem sei.

FBI-Chef James Comey hatte schon in der vergangenen Woche Apples Forderung unterstützt, den US-Kongress über den Sachverhalt entscheiden zu lassen. Die Abgeordneten wollen sich heute erstmals mit dem Thema befassen. Zu einer Anhörung sind neben Apple-Anwalt Bruce Sewell auch Comey, der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance und Susan Landau, Professorin für Cybersecurity-Politik am Worcester Polytechnic Institute, geladen.

[mit Material von Chris Duckett, ZDNet.com]

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Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

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