Google schließt angeblich russische Niederlassung

Google hat Berichten zufolge ein Entwicklungsbüro in Moskau ohne Angabe von Gründen geschlossen. Die Financial Times spekuliert nun, dass es damit auf jüngste Datenschutzgesetze reagiert, die Technikfirmen zwingen, Daten im Land zu halten.

Google beschäftigt in der russischen Hauptstadt rund 50 Techniker. The Information zufolge erhält jeder von ihnen die Möglichkeit, in einer ausländischen Niederlassung weiter für Google zu arbeiten. Google kommentierte nur: „Wir fühlen uns unseren russischen Anwendern verpflichtet und haben ein eigenes Team in Russland, um sie zu unterstützen.“

Russland ist für seine strenge Internetzensur bekannt. Die jüngste Gesetzesänderung wurde aber durch Bekanntwerden der NSA-Überwachung veranlasst. Clouddienstleister wie Google dürfen demnach die Daten russischer Anwender ausschließlich in Russland vorhalten. Das ist technisch wie strategisch ein Problem. Adobe soll sich deshalb schon aus Russland zurückgezogen haben, weitere Technikfirmen – ausländische wie russische – dürften folgen.

Eine ähnliche Regelung für Datenspeicherung im Land war auch in Brasilien schon im Gespräch gewesen, wurde dort aber verworfen. Unter anderem hatten Facebook und Google an der technischen Machbarkeit gezweifelt. Auch WWW-Erfinder Tim Berners-Lee hielt die eigentlich auf mehr Selbstbestimmung und zum Schutz vor Überwachung gedachte Maßnahme für problematisch: „Was ich nicht will, ist ein Web, in dem die brasilianische Regierung die Daten jedes Sozialen Netzes in Servern auf brasilianischem Boden speichern lässt. Das würde es so schwierig machen, eines einzurichten.“ Insgesamt bezeichnete Berners-Lee das brasilianische Marco Civil da Internet aber als Beginn einer neuen Ära mit einem demokratischeren Internet.

Demokratisch ist Russlands Internetgesetzgebung dagegen nicht zu nennen. Unter anderem sind Betreiber kostenloser WLAN-Netze verpflichtet, Nutzer zu einer Vorab-Identifikation zu zwingen, und auch Blogger müssen sich mit Klarnamen registrieren. Ähnliche Maßnahmen sind sonst nur aus China bekannt.

Infolge der Ukraine-Krise ist das politische Verhältnis Russlands und der USA ohnehin weiter angespannt. Oracle beispielsweise bietet daher seit Sommer 2014 russischen Nutzern keine Java-Updates mehr an.

[mit Material von Charlie Osborne, ZDNet.com]

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Florian Kalenda

Seit dem Palm Vx mit Klapp-Tastatur war Florian mit keinem elektronischen Gerät mehr vollkommen zufrieden. Er nutzt derzeit privat Android, Blackberry, iOS, Ubuntu und Windows 7. Die Themen Internetpolitik und China interessieren ihn besonders.

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