Britischer Geheimdienstchef: Privatsphäre ist kein „absolutes Recht“

Der neue Chef des britischen Geheimdiensts Government Communications Headquarters (GCHQ), Robert Hannigan, bestreitet in einem Gastbeitrag für die Financial Times ein umfassendes Recht auf Privatsphäre. Sie sei niemals ein „absolutes Recht“ gewesen und die Debatte darüber dürfe nicht als Grund dienen, wichtige und schwierige Entscheidungen zu verschieben. Stattdessen forderte er die US-Technikbranche auf, die Geheimdienste bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen, statt angesichts der Enthüllungen von Edward Snowden gegen sie zu arbeiten.

Das Web hat sich Hannigan zufolge zu einem Command-and-Control-Netzwerk für Terroristen entwickelt. Speziell der Islamische Staat (ISIS) habe die Nutzung des Internets für seine Zwecke perfektioniert. Die Gruppe, die inzwischen große Teile Syriens und des Iraks kontrolliert, sei beispielsweise in der Lage, mehr als 40.000 Tweets pro Tag zu verschicken, ohne die Spam-Kontrollen auszulösen. Mithilfe aktueller Hashtags wie Ebola schleusten sie zudem ihre Nachrichten in populäre Newsfeeds ein.

„Die Herausforderungen für Regierungen und Geheimdienste sind groß – und sie können nur mit einer stärkeren Kooperation mit Technikfirmen bewältigt werden“, schreibt Hannigan. Sie nähmen zwar gerne eine neutrale Position ein, ihre Dienste würden aber immer häufiger nicht nur für die Verbreitung extremistischer und kinderpornografischer Inhalte benutzt, sondern auch für Verbrechen und Terrorismus. Deswegen würden neue Regeln für legale Ermittlungen durch Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden benötigt.

Geheimdienste wie GCHQ wollten sich an der öffentlichen Datenschutz-Debatte beteiligten, so Hannigan weiter. „Wir müssen zeigen, wie wir für die Daten verantwortlich sind, die wir zum Schutz der Menschen einsetzen, genauso wie der öffentliche Sektor zunehmend unter Druck steht, offenzulegen, wie sie Kundendaten filtern und verkaufen.“

Einige Technikfirmen verdrängten offenbar den Missbrauch ihrer Angebote. „Ich vermute, die meisten normalen Internetnutzer sind ihnen ein Stück voraus: sie haben klare Ansichten zur Ethik der Firmen, egal ob bei der Besteuerung oder dem Schutz von Kindern oder der Privatsphäre. Sie wollen nicht, dass die Medienplattformen, die sie mit ihren Freunden und Familien benutzen, Mord oder Kindesmissbrauch erleichtern. Ich glaube, dass sich diese Nutzer mit einer besseren und nachhaltigeren Beziehung zwischen den Behörden und den Technikfirmen anfreunden können.“

Hannigans Ansichten decken sich allerdings nicht mit europäischem Recht. Die Privatsphäre ist ein Recht, dass die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihren Bürgern garantieren. Die Überwachungsprogramme von NSA und GCHQ hatte der Justizausschuss des EU-Parlaments schon im Januar scharf kritisiert und deren Legalität in Frage gestellt. Die Bemühungen der US-Justiz, einen Durchsuchungsbefehl für Microsofts irisches Rechenzentrum durchzusetzen, sieht die EU zudem als eine Umgehung „vorhandener formaler Prozeduren“ an, die zwischen der EU und den USA vereinbart wurden.

[mit Material von Zack Whittaker, ZDNet.com]

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Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

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