Gebrauchtsoftware: Bundesgerichtshof legt Verfahren dem EuGH vor


Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung im Streit zwischen Usedsoft und Oracle an den Europäischen Gerichtshof verwiesen (Bild: Bundesgerichtshof).

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute das Ergebnis des Verfahrens um Gebrauchtsoftware vom 30. September 2010 zwischen Usedsoft und Oracle bekannt gegeben (Aktenzeichen I ZR 129/08). Statt eine lange erwartete, grundsätzliche Entscheidung für oder gegen die Rechtmäßigkeit des Weiterverkaufs online erworbener Software zu treffen, legt das höchste deutsche Gericht den Fall dem Gerichtshof der Europäischen Union vor. Der soll „einige Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen“ klären. Die Antworten könnten nicht nur für Unternehmenssoftware, sondern möglicherweise auch für den Weitervertrieb von bei iTunes und anderen Portalen erworbenen Musikstücken und PC-Spielen bedeutsam sein.

Laut BGH greifen die Usedsoft-Kunden durch das Herunterladen der Computerprogramme zwar in das nach Paragraf 69c Nr. 1 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich dem Rechteinhaber zustehende Recht zur Vervielfältigung von Computerprogrammen ein. Da Usedsoft seine Kunden durch das Angebot „gebrauchter“ Lizenzen zu diesem Eingriff veranlasst, könne es auf Unterlassung in Anspruch genommen werden – falls die Kunden nicht zur Vervielfältigung der Programme berechtigt sind.

Usedsoft-Kunden können sich nach Auffassung des BGH allerdings möglicherweise auf die Regelung des Paragrafen 69d Absatz 1 des Urheberrechtsgesetzes berufen. Der setzt eine Bestimmung der EU-Richtlinie 2009/24/EG ins deutsche Recht um. Nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2009/24/EG ist für die Vervielfältigung eines Computerprogramms – solange nichts anderes vereinbart ist – die Zustimmung des Rechteinhabers nicht erforderlich, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist.

Es stelle sich daher die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen derjenige, der eine „gebrauchte“ Softwarelizenz erworben hat, als „rechtmäßiger Erwerber“ des entsprechenden Computerprogramms anzusehen ist, so der BGH. In diesem Zusammenhang könne sich auch die weitere Frage stellen, ob sich das Verbreitungsrecht des Rechteinhabers erschöpft, wenn ein Computerprogramm mit seiner Zustimmung im Wege der Online-Übermittlung in Verkehr gebracht worden ist.

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Frage, ob der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz nicht nur für Software gilt, die auf einem Datenträger verkauft wird, sondern auch für Programme, die ein Nutzer per Download von der Website des Herstellers bezieht. Der Erschöpfungsgrundsatz stellt Software im Wesentlichen mit anderen Gütern, etwa einem Buch oder einem Auto gleich: Diese darf der Besitzer schließlich beliebig und ohne Zustimmung des Hersteller weiterverkaufen. Allerdings werden diese durch den Weiterverkauf nicht vervielfältigt. Die Softwarehersteller befürchten, dass der ursprüngliche Besitzer seine Kopie nicht vernichtet, sondern weiterbenutzt. Hintergrund für den Streit sind zudem grundsätzlich unterschiedliche Rechtsauffassungen im deutschen und amerikanischen Urherberrecht – nämlich die Frage, ob Software verkauft oder an ihr lediglich ein Nutzungsrecht eingeräumt wird.

Oracle vertritt die Auffassung, dass der Erschöpfungsgrundsatz nur für „körperliche Werkstücke“ gelte – also Software auf einem Datenträger. Usedsoft verletze dadurch, dass es die Erwerber „gebrauchter“ Lizenzen dazu veranlasse, die entsprechenden Computerprogramme zu vervielfältigen, das Urheberrecht an diesen Programmen. Der Händler argumentiert dagegen, dass der Distributionsweg nicht über den rechtlichen Status der gleichen Software entscheiden könne. Schließlich biete Oracle auf seiner Seite beide Möglichkeiten gleichberechtigt an. Usedsoft hatte daher damit geworben, seinen Kunden auch Lizenzen für online vertriebene Programme von Oracle zu verkaufen. Dagegen hatte Oracle geklagt und vom Oberlandesgericht München zunächst Recht bekommen. Aufgrund eines Revisionsantrages befasste sich der BGH mit dem Fall.

Oracle behauptet, dass bis zur Entscheidung des EuGH, die sicherlich noch eine Weile auf sich warten lässt, die Urteile des Oberlandesgerichtes München vom 3. Juli 2008 (Aktenzeichen 6 U 2759/07), des OLG Frankfurt/Main vom 12. Mai 2009 (Aktenezichen 11 W 15/09) und vom 22. Juni 2010 (Aktenzeichen 11 U 13/10) sowie des OLG Düsseldorf vom 29. Juni 2009 (Aktenzeichen I-20 U 247/08) gelten. Demnach sei der Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen, mit Lizenzschlüsseln oder mit rechtmäßig selbst hergestellten Sicherungskopien auf Datenträgern rechtswidrig.

Usedsoft begrüßt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. „Dass nun der Europäische Gerichthof ein abschließendes Urteil fällen soll, ist eine konsequente und richtige Entscheidung“, sagte Geschäftsführer Peter Schneider. „Schließlich beruht der Weiterverkauf von Download-Software auf europäischen Regelungen, die auch europaweit klargestellt werden müssen.“ Er rechnet mit einer Antwort in ein bis zwei Jahren. „Das ist genau das, was wir erreichen wollten, nämlich endgültige Klarheit“, so Schneider weiter. „Wir sehen dies als wichtigen Etappensieg auf dem Weg zu einem wirklich freien Handel auch auf dem Software-Markt.“

Auf den Software-Gebrauchthandel habe die bevorstehende Entscheidung des EuGH indes nur geringe Auswirkungen. Denn grundsätzlich sei die Rechtslage weitgehend geklärt. Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger habe im September 2010 bestätigt, dass der Handel mit gebrauchter Software grundsätzlich rechtmäßig ist. Nur wenn Software online in Verkehr gebracht werde, gebe es noch rechtliche Unklarheiten. Gleichlautend hätten in den letzten Jahren auch Münchner und Hamburger Gerichte entschieden.

Hauke Hansen von der Kanzlei FPS Rechtsanwälte & Notare vermutet, dass mit der Vorlage beim EuGH eine endgültige Entscheidung „um Monate, wenn nicht gar um Jahre verschoben“ wird. Hintergrund der Vorlage ist seiner Ansicht nach, dass das Bundesverfassungsgericht nur wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung in dem Oracle-Verfahren eine BGH-Entscheidung des auch nun zuständigen 1. Zivilsenates aufgehoben hatte, weil dieser den Fall nicht dem EuGH vorgelegt hatte. Darin sah das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. „Dies den obersten Bundesrichtern vorzuwerfen, ist natürlich starker Tobak. Daher prüfte der BGH in dem Oracle-Verfahren nun besonders genau, ob nicht eine Vorlage an den EuGH erforderlich ist. Nur so ist auch zu erklären, dass der BGH den Verkündungstermin um mehrere Monate verschoben hat.“

ZDNet.de Redaktion

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