Urteil zum „fliegenden Gerichtsstand“ bei Rechtsverletzungen in Ebay

Kommt es zu einem Rechtsstreit, ist oft nicht ganz unerheblich, wo dieser ausgefochten wird. Schließlich gibt es – vor allem in neuen und noch umstrittenen Bereichen der Rechtsprechung, zu denen viele aus dem IT- und Internetrecht gehören – gewisse Auslegungsmöglichkeiten.

Versierte Kläger suchen sich daher gerne das Gericht aus, bei dem sie sich aufgrund von Urteilen aus der Vergangenheit die besten Chancen ausrechnen. Andererseits erhöht sich etwa bei Abmahnungen oder vergleichsweise kleinen Forderungen für den Gegner der Aufwand, wenn der Verhandlungsort weit weg von dessen Wohnsitz oder Geschäftstätigkeit liegt – was wiederum seine Bereitschaft zu einem außergerichtlichen Einlenken beeinflussen könnte.

Um Willkür diesbezüglich einzuschränken, ist im deutschen Zivilprozessrecht der sogenannte Gerichtsstand vorgesehen. Allgemeiner Gerichtsstand einer natürlichen Person oder eines Unternehmens ist in der Regel das dem Wohnsitz nächstgelegene zuständige Gericht. Eine Ausnahme ist der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“, bei dem das Gericht zuständig ist, in dessen Gerichtsbezirk eine unerlaubte Handlung begangen wurde.

Geschädigten soll so größtmöglicher Rechtsschutz gewährt werden. Ein Beispiel: Wenn ein Münchner in Hamburg die Zeche prellt, kann ihn der Wirt in Hamburg vor Gericht zur Verantwortung ziehen, ohne sich dafür nach München zu bequemen.

Probleme bei Internetangeboten

Problematisch ist diese Sichtweise in Bezug auf das Internet. Da die „unerlaubte Handlung“ überall ausgeführt werden kann, wo sich eine Website „bestimmungsgemäß abrufen“ lässt – meistens also zumindest in ganz Deutschland – kann man sich lange darüber streiten, welches Gericht zuständig ist und wann der „fliegende Gerichtsstand“ zur Anwendung kommen kann. Auch beim Handel über Ebay ein verbreitetes Problem.

Zu diesem Themenkomplex hat das Landgericht Frankfurt am Main jetzt ein interessantes Urteil gefällt (Aktenzeichen 2/3 S 7/09). Es ging ursprünglich um die Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte. Der Kläger war Inhaber von Vertriebslizenzen der Modemarke „Ed Hardy“. Da der Beklagte über Ebay eine gefälschte „Ed Hardy“-Jacke verkauft hatte, mahnte der Kläger ihn ab. Mit der zuvor beim Amtsgericht eingereichten Klage begehrte er die Erstattung der Abmahnkosten. Das Amtsgericht erklärte sich für unzuständig, woraufhin der Kläger Rechtsmittel einlegte.

Das Frankfurter Urteil

Die Richter gaben der Berufung statt. In dem Fall seien die Grundsätze des „fliegenden Gerichtsstandes“ anzuwenden. Auch wenn dieser im gewerblichen Rechtsschutz dahingehend eingeschränkt werde, dass bei im Internet begangenen Verstößen über die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit hinausgehend auch ein gewisser Ortsbezug verlangt werde.

Davon sei im zugrunde liegenden Fall auszugehen. Entscheidend sei, dass der Beklagte bei seinem Angebot einen Versand nach ganz Deutschland vorgesehen habe. Durch dieses Inverkehrbringen habe eine Rechtsverletzung in ganz Deutschland gedroht und das Angebot war von vornherein darauf ausgerichtet, Käufer im gesamten Bundesgebiet anzusprechen.

Die Kanzlei Dr. Bahr kommentiert für ZDNet aktuelle Urteile aus dem IT-Bereich. Sie ist auf den Bereich des Rechts der Neuen Medien und den Gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Unter www.Law-Podcasting.de betreibt sie einen eigenen wöchentlichen Podcast und unter www.Law-Vodcast.de einen monatlichen Video-Podcast.

ZDNet.de Redaktion

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