Leiden iPhone-Besitzer am „Stockholm-Syndrom“?

Das Beratungsunternehmen Strand Consult hat mit einem Thesenpapier zum iPhone, über das unter anderem 9 to 5 Mac und ZDNet.com berichteten, für heftige Diskussionen gesorgt. Sind iPhone-Nutzer wirklich psychologische Problemfälle oder ist ihr Verhalten für alle Käufer von teuren Technologien typisch?

Das sogenannte „Stockholm-Syndrom“ ist ein erstmals 1973 bei einem Banküberfall in Schweden festgestelltes Verhaltensmuster von Geiseln gegenüber den Geiselnehmern. Die Festgehaltenen entwickelten in den fünf Tagen, in denen sie mit den Verbrechern zusammen waren, eine größere Angst vor der Polizei als vor ihren Geiselnehmern, empfanden trotz ihrer Angst auch nach Beendigung der Geiselnahme keinen Hass, baten sogar um Gnade für die Täter und besuchten sie im Gefängnis.

Prominentestes und vielleicht extremstes Beispiel für solch ein Verhalten ist Patty Hearst, die Enkeltochter des schwerreichen Medienzaren Randolph Hearst: Sie schloss sich 1974 nach einer spektakulären Entführung durch die linksradikale „Symbionese Liberation Army“ dieser an und wurde später wegen Bankraubs selbst zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Strand Consult sieht vergleichbare Verhaltensmuster bei iPhone-Besitzern, die trotz der Mängel und Einschränkungen des Produktes, dieses vehement gegen alle Arten von Angriffen verteidigen. Für diese Behauptung führen die Analysten zahlreiche Beispiele an.

Kritik Gegenargument
Das erste iPhone war kein 3G-Phone. Wozu braucht man 3G. Man kann das iPhone auch ohne 3G nutzen. 3G ist ohnehin nicht sehr weit verbreitet. Also alles kein Problem.
Das iPhone kann keine MMS versenden Es besteht kein Bedarf am Versand von MMS. Fast niemand nutzt diese Funktion.
Das iPhone bietet kein Multitasking, zahlreiche Anwendungen lassen sich daher nicht nutzen. Das Fehlen von Multitasking ist eine wohlüberlegte Entscheidung, um eine schnellere Benutzeroberfläche zu erreichen.
Das iPhone kann nur von wenigen – von Apple ausgewählten – Providern erworben werden. Apple hat viel Zeit und Energie darauf verwendet, für seine Kunden die besten Provider auszuwählen.
Nutzer können keinen Browser installieren. Der von Apple entworfene Browser ist technisch anderen so überlegen, dass es sinnlos wäre, einen anderen installieren zu können.
SMS lasse sich nicht weiterleiten. Diese Funktion wird kaum genutzt und war daher in den ersten iPhone-Generationen nicht enthalten.
Die Kamera des iPhone ist nicht besonders gut. Die eingebaute Kamera ist vollkommen angemessen. Das iPhone macht damit wunderbare Bilder.
Der Akku des iPhone lässt sich nicht austauschen. Wie viel Handynutzer rennen denn mit einem Ersatzakku in der Tasche herum? Nicht viele.
Nur Apple entscheidet, welche Anwendungen sich auf dem iPhone installieren lassen. Das ist gut so. Apple stellt damit sicher, dass keine minderwertigen Anwendungen zum Einsatz kommen.
Der AppStore ist eine geschlossene Welt. Auch das ist gut so. Apple weiß, was iPhone-Nutzer brauchen. Es gibt ausreichend Anwendungen.
Das iPhone unterstützt Java nicht, viele Spiele müssen daher speziell für das iPhone entwickelt werden. Java ist langsam und nicht sauber an mobile Endgeräte angepasst. Spiele für das iPhone sind viel besser, weil sie speziell dafür entwickelt wurden.
Das iPhone ist lediglich ein Mobiltelefon mit sehr hübsch verpackter Einsteigertechnologie. Apple hat die Kombination von Design und Benutzeröberfläche auf eine neue Stufe gehoben. Technische Spezifikationen spielen da keine große Rolle mehr.
Die Sprachqualität ist schlecht, Gespräche werden oft unterbrochen und die Netzwerkabdeckung ist bescheiden. Das iPhone ist ein gutes Telefon, die Probleme sind auf die Netzwerke der Provider zurückzuführen.
Das iPhone unterstützt keine Speicherkarten. Das Telefon bietet bereits ausreichend Speicherplatz. Außerdem können Käufer zwischen zwei Modellen mit mehr oder weniger Speicher auswählen.
Es gibt keine Radiofunktion. Die braucht man auch nicht. Das iPhone unterstützt ja iTunes, und damit hat man Zugriff auf nahezu unendlich viel Musik.

Diese oder ähnliche Argumente hat wohl jeder schon von einem überzeugten iPhone-Besitzer gehört. Sind iPhone-Fans also Apple-Geiseln? Gibt es – wie Strand Consult behauptet – tatsächlich ein „iPhone-Syndrom“?

Wahrscheinlich schon. Aber so wie es aussieht, ist das Verhaltensmuster nicht auf iPhone-Besitzer beschränkt. Fast alle Käufer von im Preis gehobener Technologie verteidigen diese später vehement – und oft entgegen aller Vernunft – gegen Kritik. Beweise dafür werden Sie nach den Weihnachtsfeiertagen sicher auch in Ihrem Freundeskreis finden …

ZDNet.de Redaktion

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