Wirtschaftsauschuss beschließt Anhörung zum Internetzensurgesetz am 27. Mai

Das umstrittene Internetzensurgesetz wird am 27. Mai 2009 Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses. Das bereits in erster Lesung mit den Stimmen der großen Koalition beschlossene Gesetz muss somit erneut auf den Prüfstand. Kritiker des Gesetzes wenden ein, dass das Thema Kinderpornografie missbraucht werde, um Zensur im Internet durch die Hintertür einzuführen.

Innerhalb weniger Tage formierte sich massiver Widerstand gegen das Gesetz. Eine Online-Petition im deutschen Bundestag erreichte binnen zehn Tagen über 80.000 Unterschriften. Einige Politiker reagierten zunächst äußerst verärgert: Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg (CSU) rückte in einem Tagesschau-Interview die Petenten in die Nähe von Kinderpornografiebefürwortern. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz erklärte gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger, dass die Petition keinen Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren haben werde und dass die Internetgemeinde zwar „sehr engagiert“, jedoch „teilweise undifferenziert“ sei.

Außer den Online-Petenten meldeten sich auch Kinderpornografiegegner zu Wort. So sprach sich beispielsweise der Verein Carechild e.V. gegen das Gesetz aus. Der Branchenverband Bitkom, der Sperrmaßnahmen gegen Kinderpornografie grundsätzlich begrüßt, brachte auf seiner Website mahnende Worte an: „Der Bitkom betont mit Nachdruck, dass eine Zugangserschwerung auf Access-Ebene ein Ultima-Ratio-Instrument für schwerstkriminelle und international geächtete Inhalte wie Kinderpornografie ist, das sich für eine Ausweitung auf andere Konstellationen nicht eignet.“ Der Branchenverband weist ferner darauf hin, dass im Gegensatz zu anderen Staaten hierzulande eine Ausweitungsdiskussion bereits im Gange ist.

Da die Online-Petition mehr als 50.000 Mitzeichner aufweisen kann, muss sich der Petitionsausschuss in öffentlicher Sitzung mit dem Thema beschäftigen. Der Termin dazu dürfte allerdings erst nach der Sommerpause und nach Inkrafttreten des Gesetzes liegen. Durch die gestern überraschend beschlossene öffentliche Anhörung erhalten die Petenten noch vor Ende der Zeichnungsfrist am 16. Juni Gelegenheit, ihr Anliegen vorzubringen. Die Ausschussvorsitzende Edelgard Bulmahn lud Gegner des Gesetzes ein, die sich auf Abgeordnetenwatch.de an die SPD-Politikerin gewandt hatten, an der Anhörung persönlich teilzunehmen.

Offensichtlich besteht inzwischen auch bei einigen Koalitionspolitikern weiterer Informations- und Diskussionsbedarf. Die SPD-Abgeordnete Monika Griefahn schreibt auf ihrer Website: „Damit können wir auch die in Teilen der Internet-Community aufgeworfenen Kritikpunkte, die ihren Ausdruck in einer stark beachteten E-Petition gefunden haben, angemessen einbeziehen und erörtern“. Ihr Sprecher bestätigte derweil gegenüber Golem.de: „Bei dieser Anhörung geht es um unmittelbare Konsequenzen für den Gesetzentwurf.“

ZDNet.de Redaktion

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