Torvalds Position ist eigentlich durchaus stringent: Der Schöpfer des Linux-Kernels hatte den EU-Rat bereits Ende vergangenen Jahres dazu aufgerufen, gegen die „Richtlinie zur Patentierbarkeit Computer-implementierer Erfindungen“, bekannt als Softwarepatente-Richtlinie, Opposition zu beziehen. In einem Aufruf wenden sich Torvalds, MySQL-Mitbegründer Michael Widenius und PHP-Erfinder Rasmus Lerdorf gegen die geplante EU-Richtlinie.

„Im Interesse Europas darf ein solch trügerischer, gefährlicher und demokratisch illegitimer Vorschlag nicht zum Gemeinsamen Standpunkt der Mitgliedsstaaten werden“, heißt es in dem Aufruf. „Um der Innovation und des Wettbewerbs im Softwaremarkt willen hoffen wir sehr, dass die Europäische Union diese Gelegenheit ergreifen wird, um Software von der Patentierbarkeit auszuschließen und sich einen bedeutsamen Wettbewerbsvorteil im Informationszeitalter zu verschaffen.“

Die umstrittene EU-Richtlinie wurde dann am 6. Juli abgeschmettert. Das Europaparlament wies den EU-Gesetzentwurf in Straßburg mit überwältigender Mehrheit zurück. Aber nun lebt die Debatte um Software-Patente neuerlich auf: Die Open Source Development Labs (OSDL) wollen mit „Patent Commons“ einen Pool für Patente schaffen, die der Open-Source-Community zur freien Verwendung stehen soll. Torvalds, selbst bei OSDL in Lohn und Brot, begrüßt den Vorschlag. Der Pool soll ein Gegengewicht zu den Patenten von Firmen und Konzernen darstellen.

Aber im Open Source-Lager ist der neue Vorstoß umstritten. Das Szenen-Schwergewicht und Autor der „Open Source Definition“ Bruce Perens, wandte sich ausdrücklich gegen solche Patente. Anhand von Sun könne man sehen, was fadenscheinige Lizenzen Wert seien: nämlich gar nichts. Sun habe nur nutzlose Software-Fragmente an die Open Source-Gemeinde weitergegeben.

Weiteres, vermutlich schwerwiegenderes Argument: Microsoft werde den geplanten Pool auf eigenen Code untersuchen. Dass der Softwarekonzern aus Redmond dabei fündig wird, hält Perens für unausweichlich.

Die Lage im Open Source-Lager bleibt verworren. Vielleicht schafft es Torvalds aber doch noch, die Richtung der Bewegung zu bestimmen. Andernfalls sehen wir hier möglicherweise den Beginn eines Schismas der Gemeinde. Anders als bei einem großen Unternehmen gibt eben nicht nur ein Kopf die Richtung vor.

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ZDNet.de Redaktion

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