Microsofts langer Weg ins Rechenzentrum

„Unser Server-Betriebssystem kann mit jedem Mainframe mithalten.“ Dieser Werbeslogan stammt zwar von Microsoft (Börse Frankfurt: MSF), bezieht sich aber nicht auf den derzeit beworbenen „Windows Server 2003“, sondern sollte Anno 1991 die Kunden für das damals neue Server-Betriebssystem Windows New Technology begeistern. Der Weg in die Unternehmens-DV gestaltete sich jedoch weit schwieriger als gedacht. Aber die Redmonder ließen nicht locker. 1997 bekräftigten sie den in Richtung Mainframe eingeschlagenen Weg durch den so genannten „Scalability Day“. Demonstriert wurden damals Features wie Cluster-Technik, Hochgeschwindigkeitstransaktionen, Hochverfügbarkeit, Massentransaktionen, ein Datenbank-Prototyp mit besonders großem Speicher (Very Large Memory) für 64 Bit-Architekturen und der Fähigkeit, Daten im Terabyte-Bereich zu verarbeiten. Einige dieser Versprechen wurden nun, knapp zwölf Jahre nach der NT-Einführung und sieben Jahren nach dem Scalability-Tag, eingelöst.

Ähnlich wie damals verkündete Bill Gates: „Wir können jetzt gegen die teuersten Rechnern der Welt antreten.“ Microsoft-CEO Steve Ballmer wurde es überlassen, darauf hinzuweisen, dass das neue Server-Betriebssystem den Unix-Konkurrenten von Sun (Börse Frankfurt: SSY) und IBM (Börse Frankfurt: IBM) beim Preis-Leistungs-Vergleich überlegen sei. Gegenüber den früheren Aussagen fällt auf, dass die Selbstüberschätzung etwas nachgelassen hat.

Offensichtlich hat das Unternehmen in den vergangenen zwölf Jahren eine Ahnung davon bekommen, was Rechenzentrumsarbeit und High-End-Computing tatsächlich ist. Galt den Marketiers in Redmond zu Beginn der 90er Jahre quasi jeder Rechner, der mehr als Print- und File-Services lieferte, bereits als Back-End-System, ja als Data-Center. So saß man am Scalability-Tag offensichtlich dem Irrtum auf, dass die Vervielfältigung von PCs bereits ein Hochleistungssystem ergebe. Nachdem Big Blue gerade seine Mainframes auf die Größe kleiner Kühlschränke reduziert hatte, wirkte Microsofts saalfüllende Wand aus Compaq-Servern wie eine peinliche Erinnerung an Dinosaurierzeiten.

Ähnliche Peinlichkeiten bleiben dem Publikum beim aktuellen Windows-Server erspart. Bezogen auf den Preis kann es inzwischen tatsächlich mit den meisten Unix-Systemen mithalten – solange es nicht um Hochleistungs-Computing geht. Richtig ist auch, dass Windows in immer neue Leistungs- und Funktionsbereiche hineinwächst. Tatsächlich wurden mit angeblich 5000 Entwicklern drei Jahre lang vor allem – durchaus wichtige – Optimierungen vorgenommen, etwa am Active Directory oder bei der Hochverfügbarkeit. Wichtiger waren den Redmonder Architekten aber die Überarbeitung des Internet Information Servers sowie die Integration aktueller .Net-Technik.

Am Grundkonzept des Betriebssystems selbst, das nie wirklich für umfassende Unternehmens-DV gebaut wurde, hat sich dabei wenig geändert. Neue Aufgaben mögen sich besser lösen lassen, alte Problem aber sind geblieben. Immer noch wächst mit jedem zusätzlichen System, mit jedem zusätzlichen User und mit jeder neuen Aufgabe der Verwaltungsaufwand in einem weit größeren Umfang als bei Unix-Systemen oder gar beim Mainframe. Es dürfte also noch einige Jahre dauern, bis Microsoft das einst gesteckte Ziel erreicht, den Einzug ins Rechenzentrum.

Auch die Marktbeobachter zweifeln daher, dass Microsoft den Unix-Spezialisten HP (Börse Frankfurt: HWP) und Sun im Rechenzentrum Paroli wird bieten können – schon gar nicht der IBM. Sie sehen als Zielgruppe nach wie vor die mittelständischen Unternehmen und Linux als den eigentlichen Microsoft-Konkurrenten.

Gegen dieses Low-Cost-Betriebssystem richtet sich denn auch das bewährte Konzept, ganze Bündel an Server-Systemen unter einer Bezeichnung anzubieten. Mit dieser Art Bundling hat Microsoft schon Netscape aus dem Markt gedrängt und den einst mächtigen Datenbank-Anbietern gewaltige Marktanteile abgerungen. Dieses aggressive Vorgehen hat Microsoft aber auch schon vor Gericht gebracht.

ZDNet.de Redaktion

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