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Anpassung von Cloud-ERP: Was ist der beste Ansatz?

Aufgrund ihres „one-to-many“-Ansatzes und auch weil die Technologieanbieter mehrere Upgrades pro Jahr vorschreiben, muss der Umgang mit den Anwendungen weiterentwickelt werden. Anpassungen sind bei Public-Cloud-Implementierungen nur auf Umwegen möglich, der Kern-Code von SaaS-Lösungen kann nicht verändert werden. Denn bei Public-Cloud-, Multi-Tenant- oder SaaS-Geschäftsanwendungen handelt es sich um geschlossene Systeme. So können ERP-Anbieter nicht nur regelmäßig Updates und neue Versionen bereitstellen, sondern auch ihren gesamten Kundenstamm gleichzeitig auf die jeweils neueste Version umstellen.

Christian Hestermann, der Autor dieses Beitrags, ist Senior Director Analyst bei Gartner (Bild: Gartner)

Entscheidung nach geschäftlichen Anforderungen

Die Auswahl von und der Umgang mit SaaS- oder Cloud-basierten ERP-Anwendungen erfordern eine andere Denkweise als bisher. Anwenderunternehmen können ERP-Systeme daher nicht länger als Basisplattform ansehen, die durch zahlreiche Anpassungen modifiziert wird. Stattdessen sollten sie SaaS-Lösungen soweit möglich so einsetzen, wie vom Hersteller vorgesehen. Das funktioniert jedoch nur dann, wenn zwei bewährte Verfahren angewandt werden:

  1. Es muss die SaaS-ERP-Lösung gewählt werden, die den Geschäftsanforderungen am nächsten kommt. Die Entscheider müssen dafür genau wissen, wonach sie suchen – das erfordert eine solide Kenntnis der Geschäftsprozesse. Mit einem bewährten Entscheidungsrahmen lässt sich zudem bestimmen, welche Anforderungen einfach nur „nice to have“ sind und welche unabdingbar sind, um das Unternehmen zu differenzieren und für Wachstum und Transformation aufzustellen.
  2. Die Prozesse im Unternehmen sollten in der Regel an die ausgewählte Lösung angepasst werden, nicht umgekehrt. Dieses Prinzip wird häufig erwähnt, aber bei weitem nicht immer befolgt. Die ausgewählte Lösung sollte nur dann angepasst werden, wenn es einen zwingenden geschäftlichen Grund dafür gibt. Da viele SaaS-Lösungen von Hunderten (und manchmal Tausenden) von Unternehmen genutzt werden, lautet die entscheidende Frage: Weicht das eigene Unternehmen wirklich von dem ab, was bei den meisten anderen als „Best Practice“ gilt?

Zwischen den beiden Praktiken besteht eine gewisse Spannung: Die erste erfordert, dass die Verantwortlichen für die Planung einige Geschäftsanforderungen ernst genug nehmen, um ihre Auswahl und Entscheidung darauf zu stützen. Die zweite sieht die meisten anderen Anforderungen als flexibel genug an, um sie an die gewählte Lösung anzupassen.

Komplexität und Integration

Das Ziel sollte also immer sein, möglichst wenige Anpassungen vorzunehmen. Trotzdem wird es Fälle geben, in denen kleine, aber wichtige Änderungen unvermeidbar sind – zum Beispiel weil eine Lösung, die zu 100 Prozent passt, nicht auf dem Markt verfügbar ist. Eventuell muss das Unternehmen auch Kompromisse bei bestimmten Anforderungen eingehen, weil es einen wirklich differenzierenden (oder sogar innovativen) Bedarf gibt. Wie notwendige Anpassungen umgesetzt werden sollten, wird durch die zwei Faktoren „Komplexität“ und „Integration“ bestimmt:

  1. Wie hoch die Komplexität ist, bemisst sich danach, welche Funktionalitätstiefe und -breite für den zugrunde liegenden Geschäftsprozess erforderlich ist. Je einfacher eine notwendige Änderung ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie mit Standardmechanismen wie einer Konfiguration oder einer iBPMS-Lösung (Intelligent Business Process Management Suites) gelöst werden kann.
  2. Welcher Integrationsgrad nötig ist, richtet sich danach, welche Berührungspunkte es in welcher Häufigkeit und mit welchen Abhängigkeiten zwischen der benötigten Funktionalität und der im Kern vorhandenen Funktionalität gibt. Änderungen, die tief in die zugrundeliegende Lösung integriert werden müssen, sollten so weit wie möglich durch Konfigurationen realisiert werden. Ist die erforderliche Änderung zu komplex, um sie durch eine Konfiguration anzupassen, sollte sie über ein integriertes aPaaS (Application Platform as a Service) vorgenommen werden.
  3. Modellgetriebenes ERP als Mittel der Wahl

    Fast alle Unternehmen müssen ein gewisses Maß an Anforderungen unterstützen, die über die Basisfunktionalität der ERP-Lösung hinausgehen. Solche Anforderungen können manchmal außerhalb des Systems gelöst werden, beispielsweise durch den Aufbau eines eigenständigen Moduls und dessen Integration. Das ist aber oft zu schwierig. Das Team im Unternehmen muss daher mit vertretbarem Aufwand Lösungen mit engen Berührungspunkten zu den umliegenden Prozessen liefern. Dies gilt insbesondere für Integrationen zwischen dem ERP und anderen Anwendungen oder wenn einige Prozesse angepasst werden müssen, zum Beispiel um Industriestandards zu erfüllen.

    Dafür wurden zwei bewährte Verfahren entwickelt:

    1. Unterscheidung zwischen Konfiguration und Anpassung: Cloud-basierte Lösungen bieten mehr Möglichkeiten zur Konfiguration von Daten und Geschäftsprozessen und Abstraktionsebenen sind weiter verbreitet als in vielen älteren firmeninternen Systemen. Aber viele Cloud-basierte Lösungen bieten auch ein Entwicklungs-Framework für weitere Anpassungen. Grundsätzlich sollte die Konfiguration immer der Anpassung vorgezogen werden.
    2. Modellgesteuerte Geschäftsapplikationen für höchste Konfigurierbarkeit: Unternehmen sollten SaaS-Anwendungen daraufhin evaluieren, ob ihre modellgesteuerten Architekturen umfassende Konfigurationsmöglichkeiten unterstützen.

    Anwendungsleiter müssen neue Releases der ERP-Anwendung regelmäßig analysieren und mit den Geschäftsprozessexperten zusammenarbeiten, um die Änderungen mit den offenen Anforderungen zu vergleichen. Der jeweilige ERP-Anbieter kann zudem Informationen über die Teilnahme an Nutzervereinigungen („User Groups“) geben, je nachdem wo es diese gibt. Diese Gruppen ermöglichen es den Kunden der Public-Cloud-Lösung, Rückmeldung darüber zu geben, welche neuen Funktionen in kommenden Versionen gewünscht werden. Sobald die Basislösung ähnliche konfigurierbare Funktionen bietet, sollte die intern entwickelte Änderung zurückgezogen und durch neue Standardfunktionalität ersetzt werden.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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