Europäische Geheimdienste kooperierten bei umfassender Internet-Überwachung

Europäische Geheimdienste haben bei ihrer flächendeckenden Internet-Überwachung eng zusammengearbeitet, wie aus Dokumenten von PRISM-Enthüller Edward Snowden hervorgeht. Der britische Guardian berichtet über eine lockere Allianz zwischen britischen, deutschen, französischen, spanischen und schwedischen Geheimdienstbehörden. Sie alle sollen in den letzten fünf Jahren in enger Partnerschaft Methoden für die massenhafte Überwachung der Internet- und Telefonverkehrs entwickelt und dabei auch verdeckt mit Telekommunikationsfirmen kooperiert haben. Der deutsche BND tat sich dabei angeblich besonders durch seine technischen Fähigkeiten beim Anzapfen von Glasfaserkabeln hervor.

Die führende Rolle spielte jedoch das britische Government Communications Headquarters (GCHQ), das als geheimdienstliche Abhörzentrale zugleich enge Beziehungen zum US-Auslandsgeheimdienst NSA pflegt. Die Zeitung zitiert aus einem GCHQ-Papier, das 2008 die Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten beschrieb und bewertete.

Zentrale des GCHQ

Die britischen Spione brachten darin ihre Bewunderung für die technischen Fähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes zum Ausdruck und attestierten dem deutschen Geheimdienst „großes technisches Potenzial und guten Zugang zum Herz des Internets“. Zu diesem Zeitpunkt bereiteten die Briten noch das Abhörprogramm Tempora vor, das der Überwachung des weltweiten Internetverkehrs durch Anzapfen von Glasfaserkabeln dienen sollte. Sie schafften jedoch nur das Abfischen von Daten mit einer Geschwindigkeit von höchstens 10 GBit/s, während der BND bereits Verbindungen mit 40 GBit/s und 100 GBit/s anzapfen konnte.

Aus dem Dokument geht auch hervor, dass die britischen Geheimdienstbehörden ihre BND-Kollegen dabei unterstützten, ihre Überwachungstätigkeit einengende Gesetze zu umgehen oder Gesetzesänderungen anzustoßen. Sie halfen dem BND dabei, „Argumente für eine Reform oder eine neue Interpretation der sehr restriktiven Abhörgesetze in Deutschland zu finden“.

Ähnliche Unterstützung bekamen die holländischen Geheimdienste MIVD und AIVD. „Die Holländer haben gesetzgeberische Probleme, die sie erst abarbeiten müssen, bevor ihr rechtliches Umfeld sie in einer Weise operieren lässt, wie es das GCHQ macht“, heißt es in dem Papier. „Wir beraten die dänischen Anwälte rechtlich dazu, wie wir einige dieser Probleme bewältigt haben.“

Gute Noten aus britischer Sicht erhielt auch der französische Geheimdienst DGSE, der nach einem Bericht von Le Monde das umfassendste europäische Überwachungsprogramm nach dem britischen Tempora betreibt und jahrelang umfassende Kommunikationsdaten der Bürger im Inland speichert. Das GCHQ lobt den von Le Monde als „französischen Big Brother“ bezeichneten Geheimdienst dafür, „zu kooperieren und zu teilen“. Eine besonderer Vorteil des DGSE sei seine Beziehung zu einem ungenannten Telekommunikationsunternehmen.

Dem spanischen Geheimdienst CNI helfe bei der flächendeckenden Internet-Überwachung die enge Verbindung zu einer britischen Telekomfirma, die ebenfalls nicht namentlich genannt wird. Das GCHQ wiederum berichtet in dem Dokument, es habe geschafft, die Zusammenarbeit mit diesem Geschäftspartner „zu koordinieren“.

Als weiterer Partner im Verbund der europäischen Geheimdienste hat sich offenbar auch der schwedische FRA bewährt, nachdem das schwedische Parlament 2008 ein umstrittenes Gesetz verabschiedete, das ohne richterlichen Vorbehalt das Abhören aller Telefon- und Internetverbindungen erlaubt, die die schwedische Grenze passieren. Das GCHQ rühmt sich, auch hier beratend mitgewirkt zu haben.

Aus den Snowden-Dokumenten geht laut Guardian klar hervor, dass das GCHQ zum Mittelpunkt europäischer geheimdienstlicher Tätigkeit in der Internet-Ära wurde. Das liege nicht nur an den permissiven britischen Gesetzen, sondern auch an seinem direkten Zugang zu vielen transatlantischen Kabeln und seiner privilegierten Beziehung zur NSA. Großbritannien habe sich daher zu „einer unverzichtbaren Brücke zwischen den Spionen Amerikas und Europas“ entwickelt.

ZDNet.de Redaktion

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