SAP verändert sich. Mit dem Wechsel an der Führungsspitze vor zwei Jahren haben die Walldorfer eine neue Entwicklung eingeleitet. Der Softwarehersteller will offener und moderner werden. Trends sollen nicht mehr verschlafen, sondern vorangetrieben werden. Und diese Entwicklung hat nun ein Gesicht. Lars Dalgaard ist Gründer und CEO des Cloud-Spezialisten SuccessFactors, den SAP vor kurzem übernommen hat. Der Däne steht jetzt an der Spitze einer neuen Geschäftseinheit, in der alle Cloud-Technologien von SAP zusammengefasst sind.

Auf der Anwenderkonferenz Sapphire in Orlando verkündete er eine neue Strategie. Statt großer Software-Pakete wird SAP künftig einzelne Applikationen auf dem Markt bringen – zumindest im Cloud-Segment. Diese sind laut Dalgaard nur „lose“ miteinander verknüpft. Auch wenn er betont, dass sich die Cloud-Lösungen eng mit den übrigen SAP-Lösungen integrieren lassen. Seine Botschaft ist klar: „Das ist eine Anti-Suite-Story“.

Diese Aussage ist durchaus bemerkenswert bei einem IT-Anbieter, der sich bisher vor allem auf Suiten fokussiert hat. Doch noch mehr: Dalgaard hat auch eine Meinung zu SAPs bisher mäßig erfolgreichem Cloud-Paket Business By Design. Eine wundervolle Vision sei Business By Design gewesen, so Dalgaard. Aber: „Diese Vision war zu groß.“ Mit Business By Design soll es laut Dalgaard zwar weiter gehen. Doch ein klares Bekenntnis zur Online-Suite hört sich anders an.


„Die Vision für Business by Design war zu groß“, so SAP-Manager Lars Dalgaard auf der Hausmesse Sapphire in Orlando (Bild: SAP)

Stattdessen will Dalgaard aus den vielen unterschiedlichen SAP-Technologien eigenständige Cloud-Applikationen entwickeln. Zunächst konzentriert sich SAP auf Prozesse aus den vier Bereichen Mitarbeiter, Finanzen, Kunden und Lieferanten. So bieten die Walldorfer ihre Software zur Verwaltung von Gehaltsabrechungen jetzt auch aus der Cloud an und integrieren sie mit der Personalmanagementlösung von SuccessFactors.

Daneben sind die Angebote Financials OnDemand sowie Sales OnDemand verfügbar. Für das Beziehungsmanagement mit Lieferanten bringt SAP Sourcing OnDemand auf den Markt. Dieses soll Firmen bei der strategischen Beschaffung sowie beim Lieferanten- und Vertragsmanagement unterstützen. Was diese Lösungen kosten werden, bleibt jedoch unklar. Dalgaard erklärte auf der Sapphire lediglich, die Preise seien „attraktiv“.

SAP-Software soll sich also künftig aus der Datenwolke nutzen lassen. Und sie soll gut dabei aussehen. Dalgaard verspricht Anwenderoberflächen, die einfach und intuitiv bedient werden können. Bereits auf der europäischen Sapphire in Madrid im vergangenen Jahr hatte Co-CEO Jim Hagemann Snabe den IT-Riesen Apple als Vorbild für SAP genannt. Dalgaard stößt nun ins gleiche Horn: „Apple kann nicht den ganzen Spaß für sich alleine haben.“ Will heißen: SAP-Oberflächen sollen sich so leicht bedienen lassen wie die der Apple-Produkte.


SAP CO-CEO Jim Hageman Snabe will sein Unternehmen bis 2015 zur Nummer zwei im Markt für Datenbanken machen (Bild: SAP)

Nach Meinung der Nutzer gibt es in diesem Bereich noch Nachholbedarf beim Walldorfer Softwerker. Der CIO-Beirat der deutschen Anwendergruppe DSAG zum Beispiel sieht in einer Pressemitteilung „den Bedarf einer klaren Strategie für anwenderorientierte, durchgängige und einfach anzupassende Bedienoberflächen.“ In einer Umfrage nannten die Mitglieder des CIO-Kreises die Benutzeroberflächen als eines der derzeit fünf wichtigsten Themen. In dem Kreis innerhalb der DSAG sind 360 IT-Leiterinnen und -Leiter organisiert.

Neben Apple ist Google ein weiterer Anbieter, dem SAP gerne nacheifern möchte – und zwar in Sachen Geschwindigkeit. Die Technologie, mit der der deutsche Softwareanbieter Tempo in sein Portfolio bringen will, ist HANA. Die In-Memory-Datenbank ist nach wie vor einer der Stars in SAPs Produktprogramm. Daten lassen sich mit dieser Technologie extrem schnell verarbeiten. Unter anderem nutzt inzwischen die McLaren Group HANA. Im Kerngeschäft, dem Formel-1-Rennsport, hat McLaren Telemetriesysteme entwickelt, die Daten aus den Autos verarbeiten, welche mithilfe von Sensoren erfasst werden. Auf Basis von SAPs Datenbank können diese Informationen in Echtzeit analysiert werden.

Ziel: 2015 die Nummer 2 im Datenbankmarkt

Die Anwendungsmöglichkeiten für HANA will SAP kontinuierlich ausbauen. „HANA für alle“, hat schließlich Snabe bereits in Madrid als Leitmotiv verkündet. Nachdem das Netweaver Business Warehouse mittlerweile auf der HANA-Appliance läuft, soll die Technologie künftig als Plattform für eine ganze Reihe von neuen Anwendungen dienen. Dazu zählen sowohl Cloud- als auch On-Premise-Applikationen.

Zu den neuen Lösungen auf Basis von HANA gehört zum Beispiel eine Anwendung für Sales and Operations Planning. Laut SAP können Unternehmen damit bei Schwankungen in der Nachfrage ihre Fertigungs-, Beschaffungs- und Logistikpläne schnell anpassen. Im Angebot sind auch eine Lösung für Liquiditätsprognosen sowie –analysen sowie eine Applikation, um Planungsprozesse zu beschleunigen.

HANA steht im Mittelpunkt der SAP-Strategie. „Wir sind zur Zeit der am schnellsten wachsende Datenbankanbieter der Welt“, erklärt Co-CEO Bill McDermott. „Und ich halte es für realistisch, dass wir 2015 die Nummer 2 im Datenbankmarkt sein werden.“

Die „single source of truth“ soll HANA irgendwann in den Unternehmen sein – also die einzig relevante zentrale Datenquelle. Das heißt aber auch, dass neben sämtlichen SAP-Anwendungen auch die Applikationen anderer Anbieter auf HANA laufen sollen. Dafür bauen die Walldorfer ihre Datenbank als Entwicklungsplattform für Drittanwendungen aus.

Neben analytischen Informationen werden dann auch transaktionale Daten mithilfe von HANA verarbeitet. Entsprechende Anwendungsfälle gebe es bereits jetzt, sagt Ingo Brenckmann, Senior Development Manager bei SAP. Im transaktionalen Bereich sehen Experten spaltenorientierte Datenbanken wie etwa HANA jedoch im Nachteil gegenüber zeilenbasierenden Systemen, weil zum Beispiel das Einfügen von Daten aufwändiger ist. Dem hält Brenckmann entgegen: „SAP hat die HANA-Technologie stark weiter entwickelt, um die Nachteile aufzuheben.“


Auch Hasso Plattner trommelte auf der SAP-Hausmesse in Orlando wieder für sein Steckenpferd HANA (Bild: SAP)

Neben transaktionalen Daten wird HANA wohl bald auch fähig sein, mit unstrukturierten Informationen umzugehen, wie sie etwa in Dokumenten oder E-Mails vorliegen. Die Datenmanagement-Lösungen SAP Data Services und SAP Information Steward enthalten Funktionen für die Textverarbeitung. Mithilfe linguistischer Analyse lassen sich Dokumente analysieren. Durch das Service Pack Stack 4 können entsprechende Anwendungen mit HANA umgesetzt werden.

Unter „HANA für alle“ versteht SAP aber nicht nur die Erweiterung von Aufgaben, die sich mit der Datenbank erledigen lassen. Der Slogan bezieht sich auch auf die unterschiedlichen Unternehmensgrößen. So weist Brenckmann darauf hin, dass mit „HANA Edge“ auch eine Version für Mittelständler bereit steht. Gleichzeitig räumt er ein, dass SAP diese Zielgruppe noch nicht dem Maße erreicht habe, wie sich das die Verantwortlichen in Walldorf vorstellen. „HANA wird in erster Linie immer noch als eine teure Lösung gesehen“, so Brenckmann.

Er schiebt das vor allem auf die Berichterstattung über HANA, die sich besonders auf die Kosten für die Lösung konzentriere. Aber immerhin: Laut SAP gibt es schon deutsche Anwender aus diesem Bereich. Öffentlich präsentiert werden diese jedoch noch nicht.

Neben Cloud Computing und In-Memory gibt es derzeit noch einen weiteren Schwerpunkt in der SAP-Strategie: Mobility. In Orlando stellte der deutsche Softwerker denn auch eine Reihe neuer mobiler Apps vor. Dazu zählen unter anderem Mini-Anwendungen für den Personalbereich, den Vertrieb und mobile Commerce. Für das letztgenannte Einsatzfeld wurde die Lösung Sybase 365 entwickelt. Dies ist eine Kundenbeziehungs- und Handelsplattform für Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation, Banken, Versorgung, Handel und Verbrauchsgüter. Deren Kunden können dank der SAP-Lösung mit ihren Mobilgeräten bezahlen oder andere Finanzgeschäfte erledigen.

ZDNet.de Redaktion

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