ACTA: EU denkt über Internetsperren und Providerhaftung nach

Die Europäische Union will verstärkt gegen Produktpiraterie vorgehen und schreckt dabei offenbar auch nicht vor Internetsperren oder einer Haftungspflicht für Internetprovider zurück. Das meldet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf ein vertrauliches Arbeitspapier des EU-Ministerrats, das auf 44 Seiten die Positionen der EU und der USA bei den laufenden Verhandlungen über das internationale Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) wiedergibt.

Dem Bericht zufolge ist die EU im Gegensatz zu den USA zwar gegen eine generelle Überwachung des Internets, will Provider künftig aber in die Pflicht nehmen, aktiv gegen Internetpiraten vorzugehen. Neben einer Blockierung rechtswidriger Inhalte schlage Brüssel auch Netzsperren für einzelne Nutzer vor. Außerdem sei die Erhebung von Schadenersatzzahlungen geplant, deren Höhe sich auch nach entgangenen Profiten richten soll.

Der Schutz des geistigen Eigentums besitze „strategische Priorität“, heißt es in dem Arbeitspapier. Die EU müsse in den Verhandlungen „Entschlossenheit“ an den Tag legen.

Kritik an den Forderungen kommt von den Telekommunikationsanbietern und dem Europaparlament. Der europäische Verband der Telekommunikationsfirmen Etno, dem auch die Deutsche Telekom angehört, warnte in einer Stellungnahme vor „unverhältnismäßigen und weitreichenden Maßnahmen“. Das Filtern von Inhalten und die Sperrung des Internetzugangs stünde in völligem Widerspruch zu den Nutzerrechten, die im EU-Telekompaket verankert seien.

Das Europaparlament hat heute mit 633 Ja- zu 13 Nein-Stimmen bei 16 Enthaltungen eine Resolution verabschiedet, die von der Kommission und dem Ministerrat eine Offenlegung der bisher unter Verschluss gehaltenen ACTA-Verhandlungstexte fordert. Das Parlament müsse umfassend informiert werden. Andernfalls werde es von seinem Recht Gebrauch machen, Maßnahmen – bis hin zu einem Verfahren vor dem Gerichtshof – einzuleiten, um seine Prärogative sicherzustellen, heißt es in einer Mitteilung.

Zudem ruft das Parlament die EU-Kommission auf, sich bei den ACTA-Verhandlungen auf das geltende europäische Rechtssystem zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zu beschränken. Eine Erweiterung des Rechtsrahmens in Form von Maßnahmen wie den von den USA geforderten befristeten Zugangssperren für Filesharer nach dem „Three-Strikes“-Modell lehnt das Europaparlament ab.

Die USA, die Europäische Union, Japan und andere Staaten arbeiten schon seit 2008 im Geheimen an dem Anti-Piraterie-Abkommen. Ziel ist es, die Zusammenarbeit der Behörden im Kampf gegen Produkt- und Internetpiraterie zu verbessern. Ende des Jahres sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.

ZDNet.de Redaktion

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