Statt Internetsperren: Bundesregierung plant „Löschgesetz“

Die Bundesregierung will offenbar von dem umstrittenen Internetzensurgesetz Abstand nehmen und eine neue Regelung auf den Weg bringen, die eine Löschung kinderpornografischer Webseiten vorsieht. Dies habe das Kanzleramt Bundespräsident Horst Köhler in einer Stellungnahme mitgeteilt, bestätigte am Dienstagmorgen ein Sprecher des Justizministeriums.

Details zum Inhalt der Stellungnahme wollte der Sprecher nicht nennen. Er verwies allerdings auf den Koalitionsvertrag, in dem vereinbart wurde, dass die Regierung ein Löschen der Seiten bevorzugt.

Das sogenannte „Zugangserschwerungsgesetz“ war in der vergangenen Wahlperiode von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden – auf den Weg gebracht hatte es die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen. Das umstrittene Gesetz sorgte vor allem in der Internetgemeinde von Anfang an für heftige Kritik. In Foren wurde der Spitzname „Zensursula“ für Ursula von der Leyen geprägt.

Experten diskutierten sogar, ob das Gesetz möglicherweise verfassungswidrig sei. Das Blockieren der Seiten habe zudem keine Wirkung. Befürworter dagegen erklärten, nur versierte Internetnutzer mit krimineller Energie könnten die Sperren umgehen.

Vor dem Hintergrund solcher und ähnlicher Diskussionen verweigerte Bundespräsident Horst Köhler dem Gesetz im November seine Unterschrift und forderte von der neuen Bundesregierung ergänzende Informationen.

Die jetzt vom Kanzleramt vorgelegte Stellungnahme enthält nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ eine klare Abkehr vom alten Sperrkurs. Bis man zu einem neuen „Löschgesetz“ komme, werde man sich auf Basis des bisherigen Gesetzesentwurfs „ausschließlich und intensiv für die Löschung derartiger Seiten einsetzen, Zugangssperren aber nicht vornehmen“, heißt es darin. „Die damit gemachten Erfahrungen werden in die Gesetzesinitiative einfließen“.

Sie soll Ende vergangener Woche im Bundespräsidialamt eingegangen sein. Federführend bei dem Schreiben waren Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Sie hatte sich schon früher dafür ausgesprochen, illegale Webinhalte zu löschen.

„Wenn das Gesetz nicht in Kraft tritt, machen wir genau eines: Dann sorgen wir dafür, dass diese Inhalte gelöscht werden“, so die FDP-Politikerin gegenüber dem Spiegel. „Das ist allemal effektiver, als zu versuchen, sie durch leicht umgehbare Sperren nur zu verstecken.“ Gleichzeitig sagte sie, der Respekt vor den Kompetenzen des Bundespräsidenten gebiete es, sich mit Empfehlungen zurückzuhalten.

ZDNet.de Redaktion

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