Der Europäische Datenschutztag – eine leere Hülle

Heute, am 28. Januar 2010, ist der 4. Europäische Datenschutztag. Wer es nicht gewusst hat, braucht sich dessen nicht zu schämen – er ist nicht allein. Was soll dieser Tag? Er soll der Öffentlichkeit in Europa Bedeutung und Notwendigkeit des Schutzes der persönlichen Daten bewusst machen. Was geschieht dazu an diesem Tag von offizieller Seite? So wie es derzeit aussieht, so gut wie nichts.

Die offizielle Einladung des offenbar dieses Jahr mit der Organisation der zentralen Veranstaltung betrauten Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit weist auf eine Podiumsdiskussion in der Berliner Charité hin. Dort soll unter dem pfiffigen Titel „Zu Risiken und Nebenwirkungen für das Persönlichkeitsrecht der Patienten“ über Gesundheitsdaten im Netz gesprochen werden. Eingeladen sind die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie interessierte Journalisten und Bürger. Mit dem Thema befassen sich auch die vom hessischen Datenschutzbeauftragten für heute nach Wiesbaden eingeladenen Referenten.

Etwas mehr Nutzwert dürfte für die „interessierten Bürger“ immerhin der Tag im Landesverwaltungsamt im sachsen-anhaltischen Halle haben. Dorthin laden anlässlich des 4. Europäischen Datenschutztages Vertreter von Institutionen sowie Unternehmen zu einer Informationsveranstaltung ein. Mit Vorträgen, Präsentationen, Infoständen und einer Podiumsdiskussion soll verdeutlicht werden, welche Daten zu welchen Zwecken gesammelt werden und wie man sich als Verbraucher dagegen wehren kann. Außerdem wird die Arbeit der Aufsichtsbehörde vorgestellt.

Trügerisch ist dagegen die Information, die sich unter www.datenschutztag.de findet. Da wird zwar eine vielversprechende Veranstaltung in Oranienburg angekündigt. Letzten Endes ist es aber eine Werbeveranstaltung der Firma Kedua, die sich auf ihrer eigenen Website nicht so ganz exakt zu ihrem Tätigkeitsfeld äußert. Wahrscheinlich übernimmt sie extern die Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten und bildet dazu aus. Das ist zwar ehrenwert, verbessert die Situation aber auch nicht von Grund auf.

Dabei gäbe es genug zu tun. „Während sich die Nutzung des Internets im vergangenen Jahrzehnt grundlegend verändert hat, haben wir unser Verständnis, wie Online-Persönlichkeitsprofile das reale Leben beeinflussen, nicht im selben Maße weiterentwickelt“, sagt etwa Tom Köhler, Director Security Strategy & Communication bei Microsoft Deutschland. Die heutige Erwachsenengeneration besitze noch eine Art „digitale Unschuld“, weil nicht jeder Jugendstreich auf YouTube und Co. dokumentiert sei.

Die sogenannten „digital natives“ dagegen täten jedoch gut daran wachsam zu sein und die Chancen zu nutzen, das eigene Image zu pflegen. Ganz so schlimm wie der Microsoft-Manager meint, ist die Situation aber nicht. Viele sind sich der Gefahren in diesem Umfeld durchaus bewusst. Deshalb machen sie einfach falsche Angaben. Ob das die Lösung ist, darf jedoch bezweifelt werden.

„Deutliche Beschränkungen des Rechts auf Privatsphäre unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus“

Viel weiter noch geht Martin Scheinin, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte. Er weist in seinem Ende Dezember vergangenen Jahres vorgelegten Bericht (PDF) darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren unter dem Vorwand der Bekämpfung des Terrorismus deutliche Beschränkungen des Rechts auf Privatsphäre gegeben habe. Viele Länder rechtfertigten ihre Maßnahmen damit, dass terroristische Aktivitäten nur durch verstärkte Überwachung zu verhindern seien. Informationstechnologie schaffe dafür bisher nicht gekannte Möglichkeiten. Mit dieser Argumentation umgehe man auch verfassungsmäßig verankerte Schutzmaßnahmen mit juristischen Tricks.

Da Überwachung nun Bestandteil der Politik sei, habe sich auch die Beweislast umgekehrt. Es gehe nicht mehr darum nachzuweisen, dass eine Überwachungsmaßnahme notwendig und gerechtfertigt ist. Nein, Kritiker seien jetzt in der Pflicht, zu begründen, warum die Sammlung dieser oder jener Daten nicht notwendig oder zulässig ist.

Zwar räumt Scheinin ein, dass das Recht auf Privatspähre nicht absolut ist, sondern unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden kann. Aber er sagt auch ganz deutlich, dass „Terrorismus keine Trumpfkarte sein darf, die automatisch jeden Eingriff in das Recht auf Privatsphäre legitimiert.“

Wie die Politik das leisten will, wäre doch ein spannendes Thema für Diskussionen anlässlich des 4. Europäischen Datenschutztages gewesen. Schade, wieder eine Chance verpasst.

ZDNet.de Redaktion

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