RTL will digitales Fernsehen vorantreiben

Die RTL Group, Europas größter Fernseh- und Radiokonzern, nimmt das digitale Fernsehen ins Visier. Angesichts eines stagnierenden Werbemarktes überprüft die Tochter des Mediengiganten Bertelsmann ihr bisher zaghaftes Engagement im digitalen Bereich. Vorstandschef Gerhard Zeiler hat für kommende Woche 120 RTL-Manager, unter anderem aus Deutschland, Frankreich, Benelux und Spanien, zu einer dreitägigen Klausur ins österreichische Kitzbühel geladen. Höhepunkt ist ein Treffen mit James Murdoch, Vorstandschef des britischen Bezahlsenders BSkyB. Das bestätigten Unternehmenskreise. „Das Free-TV ist ausgereizt. Wachstum ist da, aber im digitalen Fernsehen“, sagt ein RTL-Manager.

Die Bertelsmann-Tochter blickt neidvoll auf den Digitalsender aus London. Der Sohn von Robert Murdoch, Chef des Medienriesen News Corp., ist der erfolgsreichste Vorstandsvorsitzende im digitalen Fernsehen in Europa. In Europa hat BSkyB mit über 7,6 Mill. Abonnenten eine einzigartige Stellung und erzielte allein in den vergangenen drei Monaten einen Nettogewinn von 115 Mill. Euro. „Die Zahlen belegen, dass die erste Phase der Wachstumsstrategie von BSkyB ein großer Erfolg war“, sagte Analystin Lorna Tilbian von Numis.

Nach dem Motto „Von Murdoch lernen, heißt siegen lernen“ setzt sich die RTL Group hinter verschlossenen Türen erstmals mit dem Erfolg des Pay-TV-Senders auseinander. „Die Digitalisierung wird intensiv diskutiert. Wir wollen hier eine bedeutende Rolle spielen“, sagte ein RTL-Sprecher gestern in Köln.

Beim digitalen Fernsehen hat die RTL Group großen Nachholbedarf. Bisher ist der wichtigste Gewinnbringer des Bertelsmann-Konzerns nur in Frankreich im Bezahlfernsehen engagiert. Dort betreibt RTL zusammen mit dem französischen Fernsehkonzern TF 1 den Pay-TV-Sender TPS. Der hat noch nie einen Cent Gewinn gemacht. Die aufgelaufenen Verluste sollen sich auf über 400 Mill. Euro belaufen.

In Deutschland macht RTL gerade die ersten Gehversuche im digitalen Fernsehen. Erst im Oktober vergangenen Jahres hatte die Bertelsmann-Tochter den digitalen Minikanal Traumpartner TV gegründet. Der Kölner Flirt-Sender wird nicht mit Werbung finanziert, sondern über kostenpflichtige SMS. Wann Traumpartner TV die Gewinnzone erreicht, ist unklar. Wie RTL-Manager Konstantin Lange kürzlich bestätigte, plant das Fernsehunternehmen in diesem Jahr einen weiteren Digitalkanal. Insider erwarten einen Start im zweiten Halbjahr.

Im deutschen Fernsehmarkt bläst RTL der Wind kräftig ins Gesicht. RTL erzielte im Januar mit 15,9 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen die schlechteste Monatsquote seit zehn Jahren. Marc Conrad, seit drei Monaten Chef der deutschen RTL-Tochter, hat es bisher nicht geschafft, den Negativtrend umzukehren. „Die Januar-Quote ist nicht prickelnd, aber der Zuschaueranteil im Januar des Vorjahrs war mit der Dschungelshow exorbitant hoch“, sagt ein RTL-Sprecher zur Erklärung. Auch Konkurrent Pro Sieben, wichtigster Gewinnbringer des Fernsehkonzerns Pro Sieben Sat 1, erzielte mit 11,6 Prozent einen Negativrekord.

Hintergrund der Digitalisierungs-Initiative ist der lahme TV-Werbemarkt. Sowohl RTL als auch Pro Sieben Sat 1 versuchen, zusätzliche Erlösquellen abseits der Fernsehreklame auszubauen. Außerdem wollen die Sendergruppen mit dem Eintritt ins digitale TV-Geschäft ihre Zukunft sichern. „Online, Mobilkommunikation und Fernsehen werden sich vermischen. Die TV-Unternehmen müssen darauf reagieren“, sagt Jürgen Blomenkamp, Vorstandschef des größten deutschen Werbezeitenvermarkters Mediacom.

Die Hoffnung, dass es im deutschen Werbemarkt wieder steil nach oben geht, haben RTL und Pro Sieben Sat 1 vorerst begraben. „Unsere Erwartung ist verhalten“, hieß es in RTL-Kreisen. Auch Blomenkamp, dessen Unternehmen – eine Tochter des Werbekonzerns Grey – ein Werbevolumen von über drei Mrd. Euro betreut, geht von einer Stagnation aus. „Ich erkenne kein dynamisches Wachstum, aber es wird auch nicht spürbar nach unten gehen.“ Im vergangenen Jahr sank das Werbeaufkommen von RTL nach Angaben des Marktforschungsunternehmen Nielsen um drei Prozent auf 2,286 Mrd. Euro und die Quote unter die psychologischen wichtige Grenze von 17 Prozent. Verfolger Pro Sieben kam auf 12,1 Prozent. Das ist ein Minus von lediglich 0,2 Prozent.

ZDNet.de Redaktion

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