Italiens Telekombranche bewegt sich

Italiens Telekombranche steht vor einer umfassenden Neuordnung. Während die Telecom Italia (TI) voraussichtlich am Dienstag eine vollständige Wiedereingliederung seiner Mobilfunktochter Telecom Italia Mobile (TIM) bekannt geben wird, hat ein internationales Konsortium am Montag angekündigt, den wichtigsten Konkurrenten der TI, Wind, übernehmen zu wollen. Experten glauben zwar nicht, dass die Ereignisse in unmittelbarem Zusammenhang stehen. „Sie zeigen aber, wie viel Bewegung im Markt ist,“ sagt Marco Opipari, Leiter der Aktienanalyse der Mailänder Rasbank.

Schon seit Wochen wetten Experten darauf, dass TI ihre extrem profitable und schuldenfreie Mobilfunktochter TIM vollständig übernehmen und vom Kurszettel streichen lassen werde. Schließlich hätten dies France Télécom mit Orange und Deutsche Telekom mit der Internet-Tochter T-Online auch getan, heißt es. Aktien der TI, TIM sowie des Kontrollaktionärs Pirelli waren gestern ganztags vom Börsenhandel ausgesetzt. Wird der von Marco Tronchetti Provera geführte Konzern wie erwartet einen kleinen Aufpreis bezahlen, beläuft sich das Volumen des Deals auf rund 20 Mrd. Euro. Laut vertraulichen Informationen plant TI, die beiden Aktionärsklassen von TIM unterschiedlich abzufinden: Eigentümer der Stämme sollen jeweils hälftig Bargeld und neue TI-Aktien erhalten; Vorzugsaktionäre sollen hingegen vollständig in Cash abgefunden werden – angeblich 5,4 Euro je Anteilsschein.

Auf der anderen Seite waren die Gerüchte um einen möglichen Verkauf von Wind in den vergangenen Wochen nicht minder intensiv. An dem Unternehmen, das zu 100 Prozent dem größten italienischen Stromversorger Enel gehört, haben France Télécom sowie der Mailänder Breitbandanbieter E-Biscom Interesse gezeigt. Gestern ist in Person des früheren Fiat-Präsidenten Cesare Romiti ein weiterer Bewerber in den Ring gestiegen: Er werde Enel in der kommenden Woche gemeinsam mit der Familie Sawiris, Mehrheitseigner des ägyptischen Mobilfunkanbieters Orascom, sowie weiteren internationalen Investoren, mutmaßlich einem amerikanischen Private- Equity-Fonds, ein Angebot zur Übernahme von Wind unterbreiten, sagte der Geschäftsmann in Peking. Ein Enel-Sprecher sagte, er kenne das Angebot nicht, bekräftigte aber die Absicht des Konzerns, Wind bis 2006 verkaufen zu wollen. Analysten zeigten sich gestern erstaunt über das Interesse Romitis: „Er benötigt dazu viel mehr Geld als ihm zur Verfügung steht. Ohne wirklich potente Partner ist das Ganze nicht realistisch“, sagte der Telekomanalyst eines Mailänder Wertpapierhandelshauses.

Mit über zehn Millionen Mobilfunkkunden, rund drei Millionen Festnetzanschlüssen und knapp 16 Millionen Internet-Nutzern ist Wind neben TI der einzige Vollservice-Anbieter auf der Apenninnenhalbinsel. Enel taxiert den Unternehmenswert inklusive der Schulden von knapp sieben Mrd. Euro auf 13 Mrd. Euro. Das bedeutet: Für eine Übernahme müsste der Käufer nach den Vorstellung von Enel-Chef Paolo Scaroni sechs Milliarden Euro auf den Tisch blättern. Dabei ist die Ertragslage noch nicht rosig: Im kommenden Jahr soll Wind bei einem Umsatz von über vier Mrd. Euro erstmals einen kleinen Nettogewinn ausweisen. FT hatte Wind 1997 gemeinsam mit Enel und der Deutschen Telekom gegründet. Beide Partner sind aber im Laufe der Folgejahre ausgestiegen.

Diplomatischen Kreisen zufolge befürwortet die Regierung Berlusconi den Verkauf an Romiti und seiner Partner. Grund: Im Falle eines Cash-Angebotes könnte die zu einem Drittel vom Staat kontrollierte Enel 2005 mit einer milliardenschweren Sonderdividende die durch eine Steuerreform entleerten öffentlichen Kassen füllen. Enel hat angekündigt, alle außerordentlichen Erlöse an die Aktionäre auszuschütten. Würde Wind hingegen an FT oder E-Biscom verkauft, würde der Deal per Aktientausch organisiert. Rom würde dabei leer ausgehen.

ZDNet.de Redaktion

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