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Und es geht doch! WLAN-Störerhaftung endgültig vom Tisch

Lancom Systems-Geschäftsführer Ralf Koenzen zur Aufhebung der WLAN-Störerhaftung: „Mit der heutigen Zustimmung des Bundestags endet ein politischer Wirrwarr, den selbst ein hochkarätiger Regisseur nicht hätte besser inszenieren können. Gerade die letzten Wochen hatten es noch einmal in sich (Foto: Lancom Systems).

Gastbeitrag: Auf den sprichwörtlich letzten Drücker war es heute, am letzten Sitzungstag des Bundestags vor der Sommerpause, soweit: das Parlament hat den „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes“ durchgewinkt. Gleichzeitig wird damit das Ende der WLAN-Störerhaftung besiegelt. Damit löst die große Koalition gerade noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl eines der zentralen Wahlversprechen ihrer Digitalen Agenda ein.

Beispielloser Wirrwarr

Mit der heutigen Zustimmung des Bundestags endet ein politischer Wirrwarr, den selbst ein hochkarätiger Regisseur nicht hätte besser inszenieren können. Gerade die letzten Wochen hatten es noch einmal in sich. Sah es Anfang April noch so aus, als würde das Thema WLAN-Störerhaftung zügig ad acta gelegt, mussten wir am Ende nun doch noch zittern.

So sorgte erst vergangene Woche eine Stellungnahme der SPD-Bundestagsfraktion für Unruhe. Wie es hieß, seien die Verhandlungen über das neue Gesetz in letzter Minute am wieder aufgeloderten Widerstand einiger Innenpolitiker aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion gescheitert. Damit machte die SPD der Union öffentlich den Vorwurf, sie wolle den neuen Gesetzesentwurf absichtlich torpedieren und zum Scheitern bringen.

Auch eine neuerliche Expertenanhörung im federführenden Wirtschaftsausschuss des Bundestags an diesem Montag hinterließ nicht den Eindruck, dass das WLAN-Gesetz noch vor der Sommerpause das Parlament erfolgreich passieren könnte. Zu groß schienen die Unstimmigkeiten der regierenden Bundestagsfraktionen.

Was lange währt…

Am Dienstag dann die überraschende Wende. Offenbar hatte Bundeswirtschaftsministerin Zypries noch einmal mit den Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien gesprochen und ihnen die Zustimmung – mit minimalen Eingeständnissen – abgerungen.

Der Zustimmung der Wähler zur Last-Minute-Entscheidung jedenfalls kann sich die Noch-Regierung sicher sein. Eine von der GfK in unserem Auftrag im vergangenen Jahr durchgeführte Umfrage „So denkt Deutschland über die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung“ zeigt dies ganz deutlich. Dort sprachen sich rund 85 Prozent dafür aus, die WLAN-Störerhaftung abzuschaffen. Die Politik macht also den Weg frei für die rechts- und abmahnsichere Verbreitung von WLAN-Hotspots in Deutschland. Ein wichtiger und entscheidender Schritt für die digitale Zukunft unseres Landes!

Lancom Systems: Die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung erfreut sich großer Zustimmung (Bild: Lancom Systems).

Ein ausgewogener Kompromiss

Wenig überraschend ist, dass nicht alle Seiten mit dem neuen Gesetz zufrieden sind. Gerade der im Gesetz verankerte Sperranspruch geht vielen zu weit. Politik lebt jedoch vom Konsens. Die Regierung geht mit dem Sperranspruch auf die Urheberrechteinhaber zu – die sich bis zum Ende massiv gegen den Wegfall der WLAN-Störerhaftung gewehrt hatten – und gibt ihnen ein Mittel an die Hand, um bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen ihre Ansprüche durchzusetzen. Allerdings dürfen etwaige Sperren einzelner Seiten nur als Ultima Ratio behördlich oder gerichtlich angeordnet werden, und die vor- oder außergerichtlichen Kosten müssen von den Rechteinhabern selbst getragen werden. Damit sind die Hürden für eine solche Sperranordnung meiner Meinung nach hoch genug, um das von anderer Seite befürchtete Overblocking zu verhindern. Für die Rechtssicherheit, die wir durch das neue Gesetz erhalten, sollten wir einen solchen kleinen „Wermutstropfen“ akzeptieren.

Abmahnindustrie vor dem Aus

Das wichtigste Ziel des Gesetzes jedenfalls wird erreicht, da sind sich die Experten einig: der Abmahnindustrie, deren Geschäftsmodell einzig darauf fußte, dass Anschlussinhaber unabhängig von der tatsächlichen Schuld hohe Abmahnkosten zahlen mussten, wird endgültig das Wasser abgegraben.

Die Entscheidung, einen WLAN-Hotspot anzubieten, dürfte Café-Besitzern, Hoteliers, Händlern – selbst Privatpersonen – nun deutlich leichter fallen. Und: Das reformierte Telemediengesetz (TMG) kommt genau zur richtigen Zeit. Mit der Initiative „WiFi4EU“ will die Europäische Kommission den Ausbau von WLAN-Hotspots in Gemeinden vorantreiben. Rund 120 Millionen Euro ist der EU die Förderung kostenloser Drahtlosnetzwerke wert. Öffentliche Stellen wie Gemeindeverwaltungen, Bibliotheken oder Gesundheitszentren, können sich mit ihrem WLAN-Projekt ab Ende 2017/Anfang 2018 bewerben. Wir dürfen uns also hoffentlich in den nächsten Monaten auf einen regelrechten Hotspot-Boom freuen!

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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