Was sich hinter dem „einheitlichen Windows“ tatsächlich verbirgt

Im vergangenen Jahr – und darüber hinaus – hatten Microsoft-Führungskräfte regelrecht Schwierigkeiten, zu erklären, wo die Reise des Softwarekonzerns mit Windows hingeht. Eine eher beiläufige Bemerkung von CEO Satya Nadella auf der Analystenkonferenz zu den Ergebnissen des vierten Fiskalquartals 2014 sollte diese Frage nun aber eigentlich beantworten.

Dort hatte Nadella nämlich bekräftigt, dass Microsoft seine Windows-Betriebssysteme in einem OS zusammenführen will: „Wir werden bei der nächsten Windows-Version die drei Betriebssysteme in einem konvergierten Betriebssystem für Bildschirme aller Größen vereinheitlichen“. Das klingt nach einem homogenen Windows-OS, das plattformübergreifend auf PCs, Smartphones und Tablets sowie Spielkonsolen läuft.

Ebenso sollen die App Stores sowie die Entwicklerplattformen aufgrund „einer schlüssigeren Benutzererfahrung und umfassenderen Chancen für die Entwickler“ homogenisiert werden. Schon im April hatten Nadella und andere Microsoft-Manager auf der Hausmesse Build die Vision plattformübergreifender Entwicklung mittels einer „universellen Windows-App“ vorgestellt. Dabei soll neben Windows und Windows Phone auch die Spiele- und Medienkonsole Xbox involviert sein. Bereits zuvor sprach der Microsoft-Chef zudem von „einer Cloud für jeden und auf jedem Gerät„.

Befindet sich Microsoft also im „Vereinheitlichungswahn“? Nicht ganz, denn offenbar wurden Satya Nadellas Ausführungen falsch interpretiert, was er noch auf der besagten Analystenkonferenz aufzuklären versuchte. ZDNet.com-Autorin Mary Jo Foley springt ihm nun zur Seite und erklärt, was das Schlagwort „Ein einheitliches Windows“ tatsächlich bedeutet und was nicht.

Zum einen will Nadella laut Foley damit zum Ausdruck bringen, dass ein Team für die Entwicklung sämtlicher Windows-Varianten verantwortlich zeichnet. Dieses hat seine Arbeit bereits im Juli 2013 aufgenommen. Damals schuf Microsoft eine einheitliche Betriebssystemabteilung (Operating Systems Group) unter der Leitung von Terry Myerson, die neben den PC- und Tablet-Versionen von Windows auch am Mobilbetriebssystem Windows Phone, an Windows Embedded sowie an den Xbox-One-Betriebssystemen arbeitet.

Zum anderen bezieht sich der Microsoft-CEO Foley zufolge nicht auf ein „einheitliches Betriebssystem“, sondern auf einen „einheitlichen Betriebssystemkern“. Auf diesem gemeinsamen NT-Kernel setzen sowohl Windows 8 als auch RT und Server sowie Windows Phone auf. Jedes einzelne OS macht sich dabei – abhängig von Formfaktor oder Hardware – verschiedene Teile der Microsoft-Schichtenarchitektur zunutze.

Weiterhin nimmt Nadella mit seiner Aussage laut Foley ausschließlich Bezug auf die von ihm angesprochenen Visionen der zusammengeführten Windows Stores und einer einheitlichen Entwicklerplattform. Demnach hat Microsoft schon im Laufe des vergangenen Jahres Maßnahmen zur Zusammenführung der App Stores für Windows und Windows Phone ergriffen. Das Ziel eines plattformübergreifenden Stores wird der ZDNet.com-Bloggerin zufolge jedoch frühestens mit dem Release der beiden kommenden Windows- und Windows-Phone-Versionen (Codename: Threshold) erreicht sein. Es sei allerdings nach wie vor nicht absehbar, wann Xbox-Apps einem solchen Store angehören werden.

Im Hinblick auf eine einheitliche Entwicklerplattform hätten führende Microsoft-Mitarbeiter schon jahrelang versprochen, dass es Entwicklern eines Tages möglich sein werde, eine einzige Anwendung für sämtliche Windows-Varianten zu programmieren. Um zu diesem Ziel zu gelangen, arbeitet der Softwarekonzern an der Vereinheitlichung der grundlegenden Programmierschnittstellen (APIs) und Entwicklerwerkzeuge zur Erstellung von Apps für Windows-, Windows Phone- und Xbox-Betriebssysteme. Darüber hinaus gibt Microsoft den Windows- und Windows-Phone-Entwicklern Foley zufolge bereits heute Möglichkeiten an die Hand, die ihnen erlauben, Quellcode für das Entwickeln sogenannter „universeller Windows-Apps“ wiederzuverwenden.

„Ein einheitliches Windows“ ist laut Foley demgegenüber nicht mit einheitlichen Windows-SKUs gleichzusetzen, sodass es auch weiterhin mehrere Windows-Versionen geben wird. Dies habe Nadella auf der Analystenkonferenz ganz klar zum Ausdruck gebracht: „Unsere SKU-Strategie wird in unseren verschiedenen Geschäftsbereichen bestehen bleiben. Es wird bis auf Weiteres auch künftig mehrere SKUs für Unternehmen, OEM-Partner und Endkunden geben. Erst im Laufe der Zeit werden wir uns wieder mit SKUs befassen“, erklärt der Microsoft-CEO.

Foley hofft nun darauf, dass Microsoft zumindest zur Veröffentlichung der Vorabversion von Windows Threshold, mit der im Herbst gerechnet wird, mit „echten“ Neuigkeiten zu den angekündigten Versprechungen aufwarten wird.

Rainer Schneider

Seit September 2013 ist Rainer hauptsächlich für ITespresso im Einsatz, schreibt aber gerne auch mal hintergründige Artikel für ZDNet und springt ebenso gerne für silicon ein. Er interessiert sich insbesondere für die Themen IT-Security und Mobile. Sein beständiges Ziel ist es, die komplexe IT-Welt so durchsichtig und verständlich wie möglich abzubilden.

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