Wikipedia fordert PR-Firma zur Einstellung ihres Autoren-Mietdienstes auf

Die Wikimedia Foundation hat der Firma Wiki-PR eine anwaltliche Unterlassungsaufforderung zustellen lassen. Das Unternehmen wird darin aufgefordert, keine weiteren Bearbeitungen an der von ihr betriebenen Online-Enzyklopädie Wikipedia vorzunehmen, solange es die von der Wikimedia-Community dargelegten Bedingungen nicht in vollem Umfang erfüllt.

Bereits vor einem Monat hatte Wikipedia mehr als 250 Verfasserkonten gesperrt, die offenbar dem bezahlten Einstellen von Artikeln und ihrer Bearbeitung im Sinne der Auftraggeber dienten. Die Organisation verwies dazu auf die Nutzungsbedingungen, die ausdrücklich den Einsatz von „Sockenpuppen“ untersagen, um die Verbindung zu einem Unternehmen zu verschleiern. Als Sockenpuppen gelten zusätzlich angelegte Konten eines bereits angemeldeten Wikipedia-Nutzers, die technisch bislang nicht zu verhindern sind.

Damit reagierte die Enzyklopädie auf Berichte über eine erhebliche Zunahme interessenbeeinflusster Artikel. Sie stand offenbar im Zusammenhang mit der Firma Wiki-PR, die ihre Dienstleistung mit „Wikipedia-Autoren zu mieten“ umschreibt und bekannte Unternehmen wie Priceline und Viacom zu ihren Kunden zählt. Frühere Wiki-PR-Kunden gaben an, zwischen 500 und 1000 Dollar für eine erstellte Wikipedia-Seite bezahlt zu haben – und dann laufend 50 Dollar monatlich für die Überwachung auf mögliche Veränderungen der Seite sowie darauf reagierende Bearbeitungen.

Zwischenzeitlich wurde offenbar versucht, die Streitfragen einvernehmlich zu lösen. Ein dreiseitiges Schreiben (PDF) des Wikimedia-Anwalts Patrick Gunn an Wiki-PR führt jedoch aus, das die Bemühungen vergebens waren. Tatsächlich habe Wiki-PR noch während der Gespräche weiterhin aktiv interessenbeeinflusste Wikipedia-Artikel vermarktet.

„Sollten Sie den Bedingungen der Unterlassungsaufforderung nicht nachkommen, ist die Wikimedia Foundation darauf vorbereitet, alle erforderlichen rechtlichen Schritte zu unternehmen, um ihre Rechte zu schützen“, heißt es weiter. Da eventuell ein Gerichtsverfahren bevorstehe, verlangt die Stiftung außerdem von Wiki-PR, alle relevanten Dokumente und Materialien aufzubewahren – darunter auch Informationen über Nutzerkonten, die Wiki-PR oder seine Beauftragten zur Bearbeitung von Artikeln nutzten.

Wiki-PR-CEO Jordan French gibt sich noch gelassen und erklärte gegenüber News.com, seine Firma arbeite mit Wikimedia an einer Klärung. Er legte nahe, dass es schon in der nächsten Woche zu einer Einigung kommen könnte. French hatte Wiki-PR zuvor als Forschungsfirma verteidigt, deren vorrangiges Ziel darin bestehe, die Enzyklopädie zu verbessern. „Unsere Leute leisten eine Menge kostenlose Arbeit für Wikipedia, einfach weil es interessant und hilfreich für die Wikipedia-Community ist“, schrieb der Wiki-PR-Chef im Oktober in einer E-Mail an News.com.

[mit Material von Steven Musil, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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