Wikipedia sperrt 250 Konten bezahlter PR-Autoren

Die Online-Enzyklopädie hat über 250 Verfasserkonten gesperrt, die offenbar dem bezahlten Einstellen von Artikeln und ihrer Bearbeitung im Sinne der Auftraggeber dienten. Die Maßnahme erfolgte im Rahmen einer Untersuchung über „verdächtige Bearbeitungen und die Nutzung von Sockenpuppen“.

„Es sieht danach aus, dass eine Anzahl von Nutzerkonten – vielleicht mehrere Hundert – dafür benutzt wurde, Artikel für Wikipedia zu schreiben, deren Darstellung Organisationen oder Produkte begünstigt“, schreibt Sue Gardner, Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation, in einem Blogeintrag. Es verstoße gegen die Wikipedia-Richtlinien und sei ausdrücklich in den Nutzungsbedingungen untersagt, Sockenpuppen zu verwenden, um die Verbindung mit einem Unternehmen zu verschleiern. Als Sockenpuppen gelten zusätzlich angelegte Konten eines bereits angemeldeten Wikipedia-Nutzers. Sie sind umstritten, lassen sich aber technisch bislang nicht verhindern.

Wikipedia reagiert nach Berichten von Daily Dot und Vice, die eine erhebliche Zunahme interessenbeeinflusster Enzyklopädie-Artikel beschrieben. Sie stellten das in Zusammenhang mit einer Firma namens Wiki-PR, die ihre Dienstleistung selbst mit „Wikipedia-Autoren zu mieten“ umschreibt und auch bekannte Unternehmen zu ihren Kunden zählt.

Wiki-PR verspricht seinen Kunden einen „Seitenverwaltungsdienst“, damit ihre Präsenz bei Wikipedia nicht dem Zufall überlassen bleibe. Die Firma brüstet sich mit einer eigenen „Belegschaft von 45 Wikipedia-Verfassern und Administratoren“ und versichert, deren Arbeit könne auch der kritischen Überprüfung durch die Wikipedia-Community standhalten.

Von früheren Wiki-PR-Kunden erfuhr Daily Dot, dass sie zwischen 500 und 1000 Dollar für die Erstellung einer Wikipedia-Seite bezahlten. Dazu kamen 50 Dollar monatlich für die Überwachung auf mögliche Veränderungen der Seite sowie darauf reagierende Bearbeitungen. Ein Hochschuldekan gab laut Vice eine Seite über sich in Auftrag, für die er 1500 Dollar bezahlte – und die gar nicht zu seiner Zufriedenheit ausfiel. Wiki-PR-Gründer Adam Masonbrink rühmte sich unlängst in einem Tweet, Priceline und Viacom als neue Kunden gewonnen zu haben.

In einer Stellungnahme gegenüber News.com beschuldigte Wiki-PR die Online-Enzyklopädie, bei ihrer Untersuchung übereifrig vorzugehen: „Wir bezahlen Hunderte weiterer Verfasser für ihre Arbeit – sie sind echte Personen und keine Sockenpuppen.“

Die Wikimedia-Chefin hingegen empfiehlt Unternehmen dringend, sich ethisch zu verhalten, transparent hinsichtlich ihrer Aktivitäten auf Wikipedia zu sein und die Richtlinien der Site zu beachten. „Die Wikimedia Foundation verfolgt diese laufende Untersuchung genau, und wir wägen derzeit alle unsere Optionen ab“, schreibt sie. „In den kommenden Wochen werden wir mehr dazu mitzuteilen haben.“

[mit Material von Steven Musil, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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