Ohne Plug-ins für Mobilbrowser versinkt Flash in der Bedeutungslosigkeit

Im Mai dieses Jahres beschäftigte sich ZDNet.com-Autor Jason Perlow mit der Frage, ob Flash nach einem Jahr iPad noch relevant ist. Seine Überlegungen führten zu hitzigen Diskussionen und veranlassten ZDNet sogar, einen die gengteilige Position vertretenden Gastbeitrag von Joseph Labrecque, einem im englischsprachigen Sprachraum sehr bekannten Technologievordenkers zu publizieren: Er sah auch auf mobilen Geräten eine glänzende Zukunft für Adobes Flash-Technologie.

Fünf Monate später hat sich die Lage gründlich geändert: Zunächst sickerte durch, dass Adobe die Weiterentwicklung von Flash für Mobilbrowser einstellt; kurze Zeit später hat das Unternehmen den Sachverhalt auch offiziell bestätigt. Das bedeutet, dass in absehbarer Zeit neue Versionen von Browsern für Android-Geräte und das BlackBerry Playbook keine Flash-Inhalte mehr rendern können. Zumindest in dieser Hinsicht ziehen sie dann mit iPhone und iPad gleich.

Branchenbeobachter und Experten haben sich umgehend zu Wort gemeldet, der Tenor reicht – mit wenigen Ausnahmen – von „Ein Glück, dass ich den los bin“ bis zu „Steve Jobs hat Recht gehabt“ und ist für Adobe durchweg wenig schmeichelhaft.

Natürlich können die Flash-Befürworter ins Feld führen, dass die Plattform als solche natürlich noch lange nicht verschwunden ist, auch wenn keine Neuentwicklungen für Mobilbrowser mehr zu erwarten sind. Das Flash-Plug-in und die Adobe Integrated Runtime (AIR) werden immerhin noch für Desktop-Betriebssysteme weiterentwickelt und AIR wird auch künftig für mobile Geräte auf dem aktuellen Stand gehalten. Außerdem wird Flash in zahlreichen angepassten Oberflächen verwendet, es ist ja nicht auf den Browser beschränkt.

Aber diese Argumentation wird nicht lange durchzuhalten sein. Die einst mit großen Erwartungen und Versprechungen gestartete Entwicklung von Flash für Fernseher hat Adobe ebenfalls schon eingestellt. Und wenn Flash aus den Mobilbrowsern verschwindet, muss die entstehende Lücke gefüllt werden. Auf den ersten Blick bieten sich HTML5-Player an, da sie es gleichzeitig auch erlauben, eine Vielzahl anderer Geräte zu versorgen.

Das erste Problem wird es sein, Webseiten mit eingebauten Videos, die SWF-basierende Player nutzen, auf HTML5 umzustellen. Aber zum größten Teil sind das sowieso überholte Altlasten. Neue Sites nutzen mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin HTML5-basiernde Player – oder Dienstleister wie Brightcove, die sich um ihre Videos kümmern und sie in allen gängigen und gegen entsprechenden Aufpreis auch denkbaren Formaten vorhalten und ausliefern.


Das Ergebnis einer ZDNet-Umfrage zu Flash im Mai dieses Jahres.

Das zweite, langwierigere Problem sind die anderen, eingebetteten Formen von Flash-Inhalten. Am dringendesten ist das Problem wahrscheinlich bei Flash-Werbung, die auf vielen Seiten vorkommt. Auf mobilen Geräten werden Anzeigen als statische Bilddateien angezeigt. Mit HTML ist es möglich, mehrere Bilder hintereinanderzuschalten, ähnlich wie beim Daumenkino. Aber das werden die Nutzer wohl zu Recht als Rückschritt empfinden. Höchstwahrscheinlich entscheidet man sich dafür, bisherige Flash-Inhalte entweder durch statische Bilder oder HTML5-Mini-Videos zu ersetzen.

Wozu diese ganzen Betrachtungen? Jede Site mit einer gewissen Menge an Inhalten und Nutzern wird sich diese Fragen stellen müssen. Und wenn sie sich schon damit beschäftigen, dann werden die Betreiber nach einer Lösung suchen, die möglichst alle Probleme regelt. Der Zugriff von mobilen Geräten steht – obwohl er derzeit noch vergleichsweise bescheiden ist – im Mittelpunkt vieler Betrachtungen, weil er als besonders zukunftsträchtig erachtet wird. Also wird er der Ausgangspunkt aller Überlegungen sein. Wie man Inhalte auf Desktops und andere große Formate bringt, ist ja hinreichend bekannt.

Die Anbieter, die nach neuen Wegen suchen, um dynamische Inhalte auf mobile Geräte zu bringen, werden Lösungen bevorzugen, die diese Aufgabe auch für den Desktop bewältigen. Die Anforderungen einer Nische definieren so die gesamte Aufgabe: Kaum einer wird künftig mehrere Angebote unterhalten und pflegen wollen. Und damit gerät auch Flash auf dem Desktop unter Druck.

Zugegeben, Browser rendern auch noch andere Flash-Inhalte als Anzeigen und Videos, etwa Spiele, Widgets, angepasste Oberflächen und so weiter. Aber auch diese werden über kurz oder lang in HTML5 überführt werden. Wie schnell das geht, hängt vom Inhalt und dem Reifegrad des HTML5-Toolset ab. Anfangs wird das Ergebnis nicht ganz so schick aussehen, aber dafür wird es funktionieren und die daran gestellten Aufgaben erfüllen.

Für die Browsergames mag das in der Tat schwieriger sein. Da haben möglicherweise Plattformen wie AIR auf dem Desktop noch eine Daseinsberechtigung. Entwickler wie Ben Lowry haben einen guten Überblick darüber, wie Developer mit der Aufgabe umgehen, mit Flash-Games mobile Spieler anzusprechen und vielleicht auch einmal Desktop-Gamer, wenn die Spiele mit AIR statt auf Webseiten ausgeliefert werden.

Nichtsdestotrotz: Wenn Flash für Entwickler durch das Ende der Mobilversion ingesamt weniger attraktiv wird, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass auch Flash-Enthusiasten unter ihnen künftig mehr Interesse für native Android-, Windows-Phone- und vielelicht sogar PlayBook-Spiele aufbringen.

Falls RIMs derzeitige Tablet- und künftige Mobilfunkplattform überlebt, ist AIR – obwohl es die erste Entwicklungsplattform für das Produkt war – am Ende wahrscheinlich die unbeliebteste aller APIs für QNX-Entwicklungen. Bessere Chancen, von RIM Entwicklern ans Herz gelegt zu werden, haben sicher Android-basierende und in nativem C++ geschriebene Spiele oder auch solche, die die WebWorks-API der Kanadier nutzen. Es wäre auch keine große Überraschung, wenn RIM den AIR-Support für das PlayBook ganz aufgibt – oder umgekehrt, Adobe den für die RIM-Produkte.

Wenn sich damit auch noch AIRs größter Befürworter im Mobilbereich verabschiedet, wird C++ voraussichtlich die Plattform der Wahl der Spieleentwickler für mobile Geräte und Desktops. Denn es ist am einfachsten zwischen iOS/Mac, Android NDK und Windows zu portieren. Oder in anderen Worten: Auf mobilen Geräten und Desktops wird es „eine App dafür geben“.

Unterm Strich ist Flash, auch wenn es heute noch den Anschein erweckt, eine tragfähige Plattform für den Desktop zu sein, de facto schon irrelevant geworden. Adobe hätte es, statt lediglich die Mobil-Plug-ins aufzugeben, auch genausogut in einem Schwarzen Loch verschwinden lassen können. Und falls das noch nicht der Fall ist, so steht es doch zumindest ganz knapp davor, den Punkt ohne Wiederkehr zu überschreiten.

ZDNet.de Redaktion

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