Der ab 1. November neue Personalausweis (Bild: Bundesdruckerei)

Eine am Montag erscheinende vergleichende Studie der Universität Bremen zeigt Probleme des am 1. November kommenden neuen Personalausweises auf. Der Informatikprofessor Herbert Kubicek und Torsten Noack vom Institut für Informationsmanagement an der Universität Bremen haben die Erfahrungen in Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Österreich, Schweden und Spanien untersucht. In diesen Ländern liegt die Einführung eines vergleichbaren elektronischen Identitätsnachweises teilweise schon mehr als zehn Jahre zurück. Dabei stellten sie erhebliche technische, organisatorische und rechtliche Unterschiede fest.

Der deutsche Personalausweis dient auch als Trägermedium für einen elektronischen Identitätsnachweis, der sich etwa im Online-Verkehr mit Behörden oder beim Einkauf als Altersnachweis nutzen lässt. Dafür ist jedoch ein Kartenleser erforderlich. Die größte Nachfrage und Nutzung einer derartigen Identifizierungsmöglichkeit haben die Bremer jedoch in den Ländern festgestellt, die Software-Zertifikate oder das PIN-TAN-Verfahren einsetzen. Stärkere technische Datenschutzvorkehrungen – wie sie bei dem neuen deutschen System implementiert sind – werden von den Nutzern aber offensichtlich nicht honoriert.

Kubicek und Noack führen das auf die Kluft zwischen der Expertensicht der Entwickler und dem alltäglichen Verhalten der Internetnutzer zurück. „Während sich die Experten an technischen Sicherheitsstandards orientieren, wollen die Nutzer vor allem einfache Lösungen“, so Kubicek. Ein Kartenleser und zusätzliche Dialogschritte würden als Belastung empfunden. So lange die alten, angeblich weniger sicheren Identifizierungsverfahren noch angeboten werden, bestehe kein Druck für diesen Mehraufwand. Da der alte Personalausweis aber erst in zehn Jahren seine Gültigkeit verliert, bleiben dem Nutzer die alten Verfahren noch lange erhalten.

Am positivsten wurde die elektronische Identifizierungsmöglichkeit laut der Studie in Dänemark, Estland, Finnland und Schweden aufgenommen. In diesen Ländern wird der Identitätsnachweis von staatlichen Stellen in Kooperation mit Banken oder sogar von Banken mit staatlicher Lizenz herausgegeben. In Deutschland sind die Banken dagegen skeptisch gegenüber der elektronischen Identifizierung. Sie nutzen derzeit als Alternative etwa das mobile TAN-Verfahren im Onlinebanking, um die Sicherheit zu erhöhen.

„Versuchen Sie, die Banken zu überzeugen, oder lassen Sie sich von denen überzeugen – und übernehmen wie Finnland das mobile TAN-Verfahren zur Erhöhung der Transaktionssicherheit im E-Government“, empfiehlt Kubicek dem Innenminister.

In Kürze startet die Bundeszentrale für politische Bildung ein Onlineforum zu den Befunden und Thesen der Studie. Die Studie selbst erscheint am Montag unter dem Titel „Mehr Sicherheit im Internet durch elektronischen Identitätsnachweis? Der neue Personalausweis im europäischen Vergleich“ als Buch.

ZDNet.de Redaktion

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