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Red Hat: Koordinator im Chaos der Communities

ZDNet: Lassen Sie uns zum Ausgangspunkt unserer kleinen Diskussion zurückkommen. Wie schlagkräftig ist die Open Source-Community? Ist sie fest angestellten Entwicklern überlegen – oder wie Microsoft nicht müde wird zu sagen: im Gegenteil?

Riek: Es gibt nicht die eine Open Source-Community. Ich glaube, eine Linux-Distribution besteht aus rund 800 einzelnen Projekten, die wir ausgewählt und an denen wir zu weiten Teilen auch partizipiert haben. Aber es gibt da auch Teil-Communities, die sich nicht mögen. Weil sie eine unterschiedliche Kultur oder eine unterschiedliche Philosophie haben oder warum auch immer. Das ist aber mittlerweile besser geworden. Gleichzeitig ist das aber auch einer der Gründe für die Existenz von Red Hat! Denn wenn es nur eine einzige Open Source-Community geben würde, mit einem einzigen Ansprechpartner, dann bräuchte es kein Red Hat. Aber eben, weil es sich um ein tendenziell chaotisches Feld handelt, wird die Rolle des Koordinators benötigt. Der eine Plattform bereitstellt und sie langfristig mit Leben füllt. Und das sind eben wir.

ZDNet: Und wie genau muss man sich die Zusammenarbeit mit diesen verschiedenen Communities vorstellen?

Riek: Die Zusammenarbeit passiert auf verschiedenen Ebenen: Zunächst natürlich auf der persönlichen Ebene. Die Leute bei Red Hat im technischen Bereich arbeiten in der Regel gerade wegen Open Source bei uns. Die arbeiten nicht nur bei uns, weil sie dafür bezahlt werden. Sie sind bei uns, weil wir Open Source machen. Der zweite Punkt ist die formalisierte Zusammenarbeit. Es gibt sehr viele Red Hat-Mitarbeiter, die in der Entwicklung aktiv sind. Die werden bezahlt dafür, dass sie innerhalb dieser Communities etwas entwickeln. Den Kernel etwa, GCC oder Clibc, um nur ein paar prominente Beispiele zu nennen. Laut Statistik stammen ungefähr zehn Prozent der Neueinträge im Kernel von Red Hat-Mitarbeitern. Und rund acht Prozent der Zeilen vom Programmcode. Bei Code-Commits sind wir die Nummer eins, bei Code-Zeilen die Nummer zwei nach Linux Torvalds. Gerade wenn es um Komponenten wie Compiler, Libraries, Gnome oder Infrastruktur geht, sind wir stark. Das ganze wird innerhalb der Community entwickelt, der Code wird dann als Paket in Fedora eingespeist – dass ist dann noch sehr neu und daher oft auch instabil. Nahe am Enterprise Linux ist Fedora immer sehr stabil, danach ist dann sehr viel neue Technologie involviert. Fedora 4 wird wahrscheinlich sehr spannend werden, den Anwendern würde ich zunächst noch zum Beibehalten von Fedora 3 raten. Jedenfalls: In Fedora wird das ganze getestet, auch auf der Integrationsebene. Denn das Problem ist zumeist, dass man bei Linux nicht nur stabile Softwarepakete benötigt. Diese Softwarepakete müssen ja auch mit den anderen zusammenarbeiten. Hat es mehrere Zyklen durchlaufen, entsteht ein Enterprise Linux. Das ist dann die dritte Ebene, wo wir zusammenarbeiten.

» Es gibt nicht die eine Open Source-Community. Es gibt da auch Teil-Communities, die sich nicht mögen. «

ZDNet: Nun gab es in den vergangenen Monaten immer wieder Berichte, wonach Fedora in der Community keinen großen Anklang findet.

Riek: Es gab einen großen Schwenk in der Strategie von Red Hat. Unser altes Modell des Distributors bedeutete, dass Red Hat eine CD oder einen Download angeboten hat, in dem sich möglichst neue Features fanden. Das hat man alle drei Monate gemacht, denn die Einnahmequelle war eben der Verkauf dieser CDs. Bald jedoch erkannte man, dass das so nicht funktioniert, weil man an CDs zu wenig verdient. Auch die Kunden und ISVs hatten Riesenprobleme damit, weil bestehende Anwendungen alle drei Monate auf die neue Linux-Version mit seinen neuen Compilern und Libraries angepasst werden musste. Deshalb führte man das Enterprise-Modell ein: Nur mehr alle 18 Monate eine neue Version, wobei die Laufzeitumgebung identisch bleibt. Alles wird über Backports gefixt und nicht mehr über Systemupdates. Und das für sieben Jahre. Dadurch kam das erste Modell etwas in die Krise und wir kamen zur Überzeugung, es am besten in ein Community-Projekt zu überführen. So entstand Fedora. Es ist für Leute gedacht, die keine Anforderungen an die Stabilität haben wie etwa Unternehmen. Bis eine solche Veränderung in der Community angekommen ist, dauert natürlich etwas.

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ZDNet.de Redaktion

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