Funk ersetzt Kabel in Werkshallen

Die Antwerpener Hafenkräne des Chemiekonzerns BASF empfangen seit kurzem ihre Arbeitsaufträge drahtlos. Bislang wurden die Kräne über ein Kabel angesteuert, das über einen integrierten Glasfaserkern Steuerungs- und Kontrolldaten vom Kran zum Kontrollraum übertrug. Durch das ständige Auf- und Abrollen war das empfindliche Glasfaserkabel häufig zerstört – der Kran konnte mehrere Tage nicht genutzt werden. Das hat sich jetzt geändert. BASF prüft bereits weitere Anwendungen der drahtlosen Funksteuerung im Unternehmen.

Sinn ergibt der Einsatz von Funktechnologien vor allem dort, wo kein Kabel gezogen werden kann oder darf. So dürfen in der chemischen Industrie in explosionsgefährdeten Bereichen teilweise keine Kabel verlegt werden. „In dieser Branche ist der Einsatz von Wireless-Geräten sinnvoll, weil man für eine Kabellösung viel Aufwand betreiben müsste“, sagt Matthias Petzsch, Spezialist für „Wireless Automation“ der Hannover Messe. Schließlich bedeutet ein Kabel immer auch Funkengefahr für den Fall, dass es abreißt.

Auch Lutz Rauchhaupt vom Institut für Automation und Kommunikation Magdeburg (ifak) sieht für die Funktechnik in der industriellen Anwendung einen großen Zukunftsmarkt. Es herrsche Aufbruchstimmung in der Branche. Er hält die Prognosen der Marktforscher von Frost & Sullivan für realistisch. Die hatten von 2003 bis 2006 eine Vervierfachung des Marktvolumens prognostiziert. Die Wachstumsrate in diesem Segment steige auf 50,6 Prozent im Jahre 2006, so die Erwartung von Frost & Sullivan. Erfolgsfaktoren für die Funktechnologien seien die erhöhte Mobilität und Flexibilität, die recht einfache Installation und der geringere Material- und Kostenaufwand. „Der nächste Schritt ist jetzt die Standardisierung – ganz wichtig für den industriellen Einsatz“, sagt Rauchhaupt.

Das Hauptproblem der Funktechnologie im industriellen Einsatz sei immer noch die Zuverlässigkeit der Datenübertragung, sagt Forscher Rauchhaupt. „Es kommt im industriellen Umfeld immer noch zu Ausfällen der Datenübertragung.“ Das liege vor allem an den großen Fabrikhallen, die zu Reflexion und Schatten bei der Funkübertragung führten. „Das kann sich im industriellen Umfeld natürlich niemand leisten“, meint Rauchhaupt. Ein weitaus kleineres Problem sei die Sicherheit. „Alle Firmen, die Funktechnologien einsetzen, fragen erst zuletzt nach der Sicherheit. Im Vordergrund steht immer die einfache und zuverlässige Bedienung“, sagt Rauchhaupt.

Im industriellen Einsatz konkurrieren vor allem die Systeme WLan, Bluetooth und Zigbee als Lösungen um die Gunst der Käufer. Axel Freyberg, Senior Berater der Unternehmensberatung A.T. Kearney sieht individuelle Vorteile für jedes System. So würden die Unternehmen zunehmend ihr Betriebsgelände mit WLan ausleuchten, meint Freyberg. Dies diene sowohl der Automatisierung der Maschinen als auch der informationstechnischen Anbindung der Mitarbeiter auf dem Firmengelände. Laut Freyberg können viele Prozesse effizienter gestaltet werden, wenn Mitarbeiter Informationen über PDA und WLan direkt verfügbar haben. So könnten sie Konstruktionszeichnungen bei der Wartung von Maschinen und Daten direkt erfassen – oder auch über WLan miteinander sprechen.

Der Funkstandard Zigbee werde von seiner Funktion her völlig neue Einsatzbereiche erschließen, glaubt Berater Freyberg. Diese Funktechnologie benötigt keine Basisstation wie WLan. Die einzelnen Zigbee- Sensoren und Schalter können untereinander kommunizieren. Zigbee ist für einfache Anwendungen in großen Sensornetzwerken entwickelt worden. Weiterer Vorteil: Der Zigbee-Standard sei effizient beim Stromverbrauch, auch weil er schnell in den Schlafmodus gehe und schnell wieder aufwache.

„Der Einsatz von Zigbee ergibt dort viel Sinn, wo viele Sensoren und Schalter zusammengeschaltet werden sollen, eine Verkabelung nicht praktikabel oder zu teuer wäre und keine Stromversorgung vorhanden ist“, sagt Freyberg. Er denke zunächst an Feuersensoren, Lichtschalter, Wasser- und Gaszähler.

Der Standard Bluetooth wird im Nahbereich für temporäre Verbindungen von Peripheriegeräten eingesetzt und nicht zu Netzen zusammengeschaltet. Eine große Aufgabe bei der Ausrüstung und Entwicklung von Funktechnologien im industriellen Umfeld sei die Integration in bestehende Netzwerke des Unternehmens, meint Forscher Rauchhaupt. Die drahtlose Übertragung dürfe nicht als Anhängsel der drahtgebundenen Kommunikation betrachtet werden, sondern müsse integraler Bestandteil heterogener Netzwerke der Automation werden.

ZDNet.de Redaktion

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