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Kommentar: Spam… Na und?

„I am one of the sons of Charles Taylor, the current president of Liberia one – of the gentlemen that was indicted at the war crimes tribunal in Hague. First of all I would want you to know…“

Laut einer Untersuchung der Firma Message Labs waren im vergangenen Monat rund 51 Prozent der weltweit kursierenden Mail-Nachrichten Spam. Damit überwog zum ersten Mal in der mittlerweile gar nicht mehr so kurzen Geschichte des Internet der Anteil der Massenwerbesendungen. Das bedeutet, dass ein durchschnittlicher Anwender jede zweite Mail als Werbung löschen kann. Katastrophe! Ausnahmezustand! Aber nach einem Momentchen des Durchschnaufens Hand auf’s Herz: Ja und, was ist dabei?

Betrachtet man sich das Problem, und das Geschrei dass darum gemacht wird, könnte man fast von einer Spam-Welle an Spam-Hysterie sprechen. „Löscht den Mist doch und gebt Ruh'“, möchte man den notorisch erregten Firmenbossen, Marktforschern und Politikern zurufen, die sich jeden Tag aufs Neue ob der schrecklichen Werbebotschaften in Ihren Postfächern echauffieren. Um Himmels Willen, wenn ich mich jedes Mal über die Teppich-, Fahrrad- oder Discounter-Faltzettel in meinem Snail-Postfach neben der Haustür aufregen würde, müsste ich morgens bereits mit Herzschmerzen zur Arbeit fahren. Dort geben mir dann Susanne mit ihrer ganz privaten Webcam sowie der oben zitierte Herr aus Liberia den Rest. Kommt schon, im E-Mail-Postfach ist es gerade Mal ein Klick, der euch von dieser Plage befreit. Zuhause muss ich das Papier sogar noch bis zur Mülltonne tragen.

Aber klar, da ist noch die Frage der Kosten. Laut der genannten Untersuchung besteht mittlerweile die Hälfte des Mail-Verkehrs aus Werbung. Diese Werbesendungen verursachten Produktivitätseinbußen und damit Verluste, mokieren unisono die Unternehmensberater. Laut der Internet-Forscherin Monica Whitty gingen im April dieses Jahres pro Mitarbeiter rund 960 Dollar an Produktivität durch Spam verloren. Noch schlimmer wiegt für sie aber, dass 49 Prozent der Mitarbeiter nicht jugendfreie E-Mails erhalten. Laut Whitty würden es 63 Prozent der Mitarbeiter begrüßen, wenn anstößiges Material aus ihren E-Mails gefiltert würde. Der Rest guckt wahrscheinlich den ganzen Schweinekram.

Aber gerade wurde auch eine andere Stimme laut: IDC meldete erst dieser Tage, die wachsende Flut von Werbe-E-Mails wird in den kommenden Jahren die weltweiten Software-Verkäufe beflügeln. Die Umsätze mit Kontrollprogrammen, die unerwünschte Botschaften ausfiltern, werden sich bis 2007 auf 974 Millionen Euro mehr als vervierfachen. Alles hat also seine zwei Seiten.

Der wahre Grund für die Mail-Misere ist aber ein ganz einfacher: Die elektronische Post wird auch heute noch über rund 20 bis 30 Jahre alte Protokolle versendet. Über offene Relay-Server oder selbst gestrickte Mailer, die schon Minuten nach dem Versand ihren Dienst quittieren, kann jedermann Mitteilungen an jeden schicken. Abhilfe könnte eigentlich nur eine komplett überarbeitete Internet-Architektur bieten. Damit wäre aber auch die Freiheit dahin, die das Web ohne Frage mit sich gebracht hat. Wer kann das wollen? Lösungsansätze, die legislative Wege beschreiten wollen, verkennen die Realitäten: Bis in die Südsee, wo sich viele Spam-Server finden, reicht weder der europäische noch amerikanische Arm des Gesetzes.

Kurzes Fazit: E-Mail ist eine tolle Sache, aber da wo die Sonne scheint gibt’s nun mal auch Schatten. Solange der Schatten aus unerwünschter Werbung besteht ist noch nichts verloren! Ein Vorschlag zur Güte: Wir halten es wie mit der Meinungsfreiheit – jeder darf sagen was er will. Und jeder darf weghören, wenn er will. Wegklicken gilt übrigens auch. Und ach ja: Der Autor dieser Zeilen erhält am Tag durchschnittlich 100 Werbebotschaften, eine ähnlich hohe Anzahl an Pressemitteilungen von bekannten und nicht ganz so bekannteren Firmen nicht mitgerechnet. Das kostet ihn rund 100 Sekunden Bearbeitungszeit. Das ist zu schaffen. Auch wenn’s ein bisserl nervt.

ZDNet.de Redaktion

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