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Scheitern am Mittelstand

KOMMENTAR – Die Branche ringt verzweifelt um Wachstumszahlen, fast so sehr für die Börsen-Analysten wie für die eigenen Unternehmen. Zu diesem Zweck haben SAP (Börse Frankfurt: SAP) und Microsoft (Börse Frankfurt: SAP) – um nur zwei aktuelle Beispiele herauszupicken – wieder einmal ein schon vielfach gescheitertes Geschäftsmodell aus der Mottenkiste gezogen: Eine Mittelstandsoffensive. Es fragt sich daher wie ernst die Bemühungen gemeint sind und wie aussichtsreich sie sein können.

Das Ziel ist verlockend. Der Mittelstand macht den Löwenanteil deutscher Unternehmen aus. Wer hier richtig ins Geschäft kommt kann sich eine goldene Nase verdienen. Heinz Nixdorf hat das einst mit dem Lösungspaket aus Mini-Rechner, Business-Basic (einer hauseigenen Programmiersprache und Runtime-Umgebung) und dem darin geschriebenen betriebswirtschaftlichen Programm Comet vorgemacht.

Nixdorf ist längst Geschichte, nicht jedoch die Gründe für den Erfolg im Mittelstand: Es handelte sich um komplette Lösungen zu einem günstigen Preis, die sich zudem von einem angelernten Laien bedienen ließen. Allen Nachahmern – mit Ausnahme von IBMs /3x-Systemen – blieb ein ähnlicher Erfolg jedoch versagt. Und auch Siemens-Nixdorf gelang es nicht das Comet-Erbe für sich zu nutzen.

Warum ist es so schwierig, mit dem kleinen und mittelständischen Unternehmen Geschäfte zu machen? Antwort: Der Mittelstand ist knausrig, weil notorisch unterkapitalisiert. Gleichzeitig ist er ist hoch anspruchsvoll, weil die Nische sein Geschäftsmodell ist – Standardprodukte würden mühsam erarbeitete Vorteile gegenüber den Wettbewerbern zunichte machen. Diese Kombination ist tödlich: Die hohen Ansprüche bei gleichzeitiger Sparsamkeit drücken die Rendite der Anbieter rasch in den roten Bereich.

Besonders große Probleme mit diesen Randbedingungen hat die SAP. Lange Zeit galt ihr betriebswirtschaftliches Programm als viel zu teuer, aufwendig zu installieren und zu warten. Außerdem verlangte es dem Kundenunternehmen ab, seine Abläufe an die Software anzupassen. Internet-Techniken, neue Lizenzmodelle und voreingestellte Produktversionen halfen die Software preiswerter und schneller einsetzbar zu machen. Und obwohl die Walldorfer für sich nur den gehobenen Mittelstand (ab etwa 250 Millionen Euro Jahresumsatz) zu ihrer Zielgruppe zählen, machen sie damit nur rund sieben Prozent des Umsatzes. Mit den neuen Paketen „Business One“ und „Mysap All-in-One“ soll dieser Anteil auf 20 Prozent ausgeweitet werden. Die neue Initiative leidet jedoch unter einem wichtigen Schönheitsfehler. Bislang waren es insbesondere mittelständische Unternehmen gewohnt, von einem Softwareunternehmen um die Ecke betreut zu werden. Zu Recht zweifeln die mittelständischen Anwender, dass sie bei großen SAP-Partnern wie HP oder IBM ihre speziellen Bedürfnisse ähnlich gut durchsetzen können wie bei ihren bisherigen Dienstleister. Und vielen von den kleineren – dennoch meist auf Großkunden eingestellten – SAP-Partnern geht es nicht besonders gut. Wie also soll unter diesen Umständen die neue Software zum Kunden finden? Diese Frage hat die SAP noch nicht beantwortet.

Im Werben um Mittelständler scheint derzeit Microsoft der aussichtsreichste Kandidat zu sein. Das Unternehmen hat mit Navision einen Anbieter von betriebswirtschaftlicher Software an Bord genommen, den die Unternehmen bereits kennen. Die Software liegt bei den meisten ihrer Lieferanten längst im Regal. Auch die Rahmenbedingungen einer beherrschbaren und preisgünstigen Plattform (Windows-PCs) sind gegeben. Allerdings gibt es auch hier Unwägbarkeiten. Wenn Microsoft sich in das Geschäft mit betriebswirtschaftlicher Software stürzt, dann ist mit ähnlichem Widerstand zu rechnen wie einst beim Verdrängungswettbewerb um Bürosoftware. Vorsichtige Anwender werden sich bei einem derartigen Gerangel nicht zu früh für eine Partei entscheiden.

Für alle Mittelstandsinitiativen gilt, dass der Zeitpunkt nicht gerade günstig ist. In Krisenzeiten neigen Mittelständler dazu, überhaupt nicht mehr zu investieren. Für sie kann jeder Fehler der letzte sein. Zudem waren viele gerade erst anlässlich der Jahrtausendwende gezwungen ihre Systeme zu modernisieren. Wo kein Bedarf nach neuer Software besteht, dann laufen alle Initiativen ins Leere.

ZDNet.de Redaktion

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