Linus Torvalds nimmt Auszeit und stellt Arbeit an Linux-Kernel ein

Linux-Erfinder Linus Torvalds hat sich überraschend aus der Entwicklung des Linux-Kernels zurückgezogen. In der Linux Kernel Mailing List (LKML) kündigte er am Sonntag an, eine Auszeit zu nehmen, um sein „Verhalten zu ändern“. Zudem entschuldigte er sich bei den Menschen, die er mit seinem persönlichen Verhalten gekränkt und damit von der Kernel-Entwicklung abgehalten habe.

Linus Torvalds (Screenshot: Stephen Shankland/CNET)Auslöser für die Entscheidung war offenbar eine Diskussion um den jährlichen Kernel Maintainership Summit, an dem Torvalds nach eigenen Angaben erstmals seit rund 20 Jahren nicht teilnehmen wollte. „So, hier sind wir nun, ich habe endlich erkannt, dass es nicht wirklich lustig oder ein gutes Zeichen war, dass ich gehofft hatte, den jährlichen Kernel-Gipfel ganz zu überspringen, und andererseits festgestellt habe, dass ich einige ziemlich tief sitzende Gefühle in der Gemeinschaft wirklich ignoriert habee“, schreibt Torvalds.

Er sei kein mitfühlender Mensch, was wahrscheinlich für niemand eine Überraschung sei. Die Tatsache, dass er Menschen jahrelang falsch verstanden und Situationen schlecht beurteilt habe, habe zu einem unprofessionellen Umfeld beigetragen.

Konkret räumte er ein, bei der Entwicklung von Kernel-Patches Mitglieder der Entwickler-Community persönlich angegriffen zu haben. In der vergangenen Woche habe die Community ihn schließlich mit seinen Fehlern konfrontiert. „Ich weiß jetzt, dass ich mich falsch verhalten habe und es tut mir wirklich leid.“

Torvalds betonte jedoch, dass er nicht „ausgebrannt“ sei und sich deswegen aus der der Linux-Entwicklung zurückziehe. „Ich fühle mich nicht so, als wollte ich nicht mehr an Linux arbeiten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ich möchte sehr wohl das Projekt fortführen, an dem ich seit fast 30 Jahren arbeite.“

In der Öffentlichkeit ist Torvalds tatsächlich nicht nur als Linux-Erfinder bekannt, sondern auch als Kritiker, der harsche Worte nicht scheut. Im Zusammenhang mit den Chip-Sicherheitslücken Meltdown und Spectre warf er Intel beispielsweise Inkompetenz vor. Unter anderem fragte er, ob Intel vorhabe, „uns für immer und ewig Scheiße zu verkaufen“.

2016 hatte Torvalds einem Google-Mitarbeiter sogar unterstellt, mit Absicht im letzten Moment einen Bug in den Release Candidate einer neuen Kernel-Version eingeschleust zu haben. Torvalds kritisierte aber auch sich selbst, weil er den Fehler nicht entdeckt und die Code-Änderung abgenickt hatte.

Jono Bacon, Community Strategy Consultant, lobte Torvalds für seine Entscheidung, sich professionelle Unterstützung zu suchen. „Es ist leicht zu vergessen, dass Linux von einem ruhigen finnischen Kind in seinem Studentenwohnheim gestartet wurde. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass nur weil sich Linux elegant weiter entwickelt hat, das nicht bedeutet, dass Linus es auch geschafft hat. Er ist keine Codebasis, er ist ein Mensch, und Fehler sind beim Menschen schwerer zu erkennen und zu beheben.“

Stefan Beiersmann

Stefan unterstützt seit 2006 als Freier Mitarbeiter die ZDNet-Redaktion. Wenn andere noch schlafen, sichtet er bereits die Nachrichtenlage, sodass die ersten News des Tages meistens von ihm stammen.

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