Tut die EU-Kommission Intel Unrecht?

Das Kartellverfahren gegen Intel ging mit einem Paukenschlag zu Ende: Über eine Milliarde Euro soll der Chipgigant als Kartellstrafe bezahlen. Die Wettbewerbshüter der EU sahen es nach langwierigen Ermittlungen als erwiesen an, dass Intel durch unzulässige Rabatte und Direktzahlungen an Hersteller und Händler jahrelang versucht hat, Konkurrenten wie AMD aus dem Markt zu drängen.

Endgültig ausgestanden ist der vor allem von AMD geschürte Streit zwischen der EU und Intel damit noch nicht. Intel-CEO Paul Otellini hat bereits angekündigt, Berufung einzulegen. Intel hatte die Vorwürfe in der Vergangenheit stets zurückgewiesen: Man habe sich rechtmäßig, wettbewerbsorientiert sowie kundenfreundlich verhalten. „Wir sind der Meinung, dass diese Entscheidung nicht richtig ist und dass die Besonderheiten eines hoch wettbewerbsintensiven Marktes außer Acht gelassen wurden“, so Otellini.

Giuliano Meroni, AMD-Präsident für die Region EMEA, begrüßte die Entscheidung der Wettbewerbshüter dagegen: „Mit dieser Entscheidung wird der Monopolist in seine Schranken gewiesen. Nun kann die Marktmacht dahin gehen, wo sie eigentlich hingehört – zu den Computerherstellern, den Händlern und vor allem den Käufern von PCs.“

Aber ist sie da nicht längst? Die Frage ist doch, ob so wenig Kunden Geräte mit AMD-Prozessoren kaufen, weil Intel die gesamte Handelskette schmiert, oder ob Geräte mit AMD-Prozessoren so selten im Handel auftauchen, weil die Absatzzahlen gering sind und kaum einer riskieren will, dass ein Notebook drei Monate im Regal steht, bevor sich ein Käufer dafür findet.

Es ist schwierig, darauf eine Antwort zu finden, denn in beiden Fällen beißt sich die Katze in den Schwanz: Klar hat es Intel durch cleveres Marketing geschafft, dass viele Verbraucher glauben, ein Intel-Prozessor wäre das Nonplusultra und sie müssten daher unbedingt einen damit ausgerüsteten Rechner haben. Aber das ist ja nicht verboten. Dass sich Verkäufer darauf einstellen und vorrangig Produkte anbieten und bewerben, von denen sie glauben, dass ihnen diese auch jemand abnimmt, gehört ebenso zum normalen Marktgeschehen.

Zur Illustration ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich, denn auch beim Streit zwischen der EU und Intel geht es nicht um Technik, sondern um Vertriebspraktiken. In München gibt es deutlich mehr Angebote an Fanartikeln des FC Bayern als des TSV 1860. Die Produktpalette ist dagegen durchaus vergleichbar: Trikots, Fähnchen, Tassen, Bierhumpen, Feuerzeuge, etc. Es würde aber niemand auf die Idee kommen, den Souvenirläden vorzuschreiben, das Sortiment der Clubs jeweils im selben Verhältnis vorrätig zu halten und es annähernd gleich prominent im Schaufenster zu bewerben.

Etwas Licht in die Sache bringt vielleicht die genauere Betrachtung eines PC-Herstellers. Wie wählt zum Beispiel Dell für seine Rechner die letztendlich verbauten Prozessoren aus? Die Texaner haben im Gegensatz zu anderen Anbeitern nämlich überhaupt kein AMD-basierendes Notebook in ihrem Geschäftskundenportfolio.

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ZDNet.de Redaktion

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