Erstes Treffen der Wikipedia-Gemeinde

Heute treffen sich „Wikipedianer“ zu ihrer ersten internationalen Konferenz. Thema: die Zukunft der kostenlosen Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“. Das Wort „Wiki“ kommt aus Hawaii und heißt schnell. Diesen Anspruch hat die Internet-Enzyklopädie Wikipedia eingelöst: In nur vier Jahren hat das kostenlose Online-Nachschlagewerk den Globus erobert. Weltweit bringt es Wikipedia in mehr als 60 Sprachen auf über zwei Millionen Einträge, allein in Deutschland haben über 10.000 Freiwillige bisher rund 270.000 Artikel erstellt.

Mittlerweile klicken mehr User auf Wikipedia-Beiträge als auf die Seiten der New York Times. Jetzt treffen sich 500 Wikipedianer aus fünf Kontinenten von heute an bis Sonntag in Frankfurt zu ihrer ersten internationalen Konferenz. Dort diskutieren sie die Zukunft der Internet-Enzyklopädie. Neben Software-Fragen wird es dabei auch um die Frage der Zuverlässigkeit der Artikel gehen, die von sehr unterschiedlicher Qualität sein können. „Wikipedia sieht sich global in erster Linie der Neutralität verpflichtet“, sagt der Vater der Enzyklopädie, Jimmy Wales, der ebenfalls nach Frankfurt gekommen ist. Die Internet-Philosophie des 38-jährigen Amerikaners aus Florida ist einfach: Informationen sollen für alle frei zugänglich sein, und alle Internetnutzer können bei der Enzyklopädie mitmachen. Jeder Artikel oder Eintrag kann von anderen verbessert oder erweitert werden.

Natürlich basiere das System „Wikipedia“ größtenteils auf Vertrauen, so Wales. „Aber Vertrauen funktioniert nur in Gruppen wie Familien oder Freundeskreisen. Bei Wikipedia brauchen wir auch Kontrolle.“ Die gibt es. Im Internet kann immer festgestellt werden, wer einen Artikel verändert hat und wie. Außerdem gibt es allein in Deutschland etwa 160 Administratoren, die Einträge aus dem Web entfernen können. Außerdem kann jeder Artikel wegen fehlender Substanz zur Diskussion gestellt werden. Über die ständig aktualisierte Streichliste entscheidet dann einer der Administratoren. Umgekehrt kann jeder Nutzer auch Artikel für ihre exzellente Qualität vorschlagen. Die Administratoren müssen auch dann eingreifen, wenn zwei Autoren zum Beispiel bei einem Artikel über einen Politiker eine private Kontroverse austragen.

Die deutsche Wikipedia-Community, zweitgrößte nach den USA, ist breit gefächert. „Wir haben 13-Jährige genauso wie 80-Jährige, die für uns gearbeitet haben“, sagt Kurt Jansson, 28, Vorsitzender des deutschen Fördervereins. Überdurchschnittlich viele Beiträge kommen jedoch von Studenten. Der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 30 Jahren, schätzt Jansson, der Soziologie in Berlin studiert. Dort kommen regelmäßig etwa 20 Wikipedianer zu einem Stammtisch zusammen.

Täglich kommen 400 neue deutsche Artikel dazu. Und jeden Tag verschwinden wieder 60 aus dem Web. Oft gibt es Leute, die Einträge über sich selbst anfertigten, wie Jansson berichtet. Doch solche PR in eigener Sache habe keine Chance: Ob jemand zum Beispiel als Schriftsteller bedeutend ist oder nicht, das wird immer durch unabhängige Quellen abgesichert.

Weltweit arbeiten lediglich zwei Menschen für Wikipedia gegen Bezahlung: Ein Techniker und ein Student in Florida, der dort im Serverraum das eine oder andere Kabel umstöpselt. Auch die gesamte Verwaltung von Wikipedia ist Sache von Freiwilligen.“Es ist erstaunlich, dass wir sogar für eher langweilige Jobs genug Leute finden“, wundert sich Jansson. Der gemeinnützige deutsche Förderverein finanziert sich nach eigenen Angaben – wie auch die gesamte internationale Wikipedia-Bewegung – nur durch Spenden. Vor allem die Mitglieder geben Geld, das wiederum der technischen Ausstattung von Wikipedia zu Gute kommt. In Florida hat die Enzyklopädie, die auf Einnahmen durch Online-Werbung verzichtet, fast 100 Server.

Wikipedia gibt es nicht nur auf Deutsch, sondern inzwischen auch auf Plattdeutsch oder im alemannischen Dialekt. Die Organisation betreibt auch noch andere Projekte, darunter das „Wiktionary“ (Wörterbuch), „Wikibooks“ (freie Lehrbücher), oder das Nachrichtenportal „Wikinews“. Denn auch beim aktuellen Geschehen haben es sich die Wikipedianer zum Ziel gesetzt, schnell zu sein.

ZDNet.de Redaktion

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