Sun, Microsoft und Java: Ansichten eines Insiders

ZDNet: Als Sie mit der Entwicklung von Java begannen, hatten Sie da schon ein Konzept vor Augen, was daraus einmal werden würde?

Gosling: Zu Zeiten des Green-Projekts haben wir viel über die langfristige Zukunft diskutiert. Wir haben verschiedene Szenarien schriftlich festgehalten. Das Design von Java ist stark von diesen Szenarien beeinflusst worden. Für mich war es eher eine Übung in Science Fiction. Man weiß nie wirklich, wie sich die Welt weiterentwickeln wird. Man kann zwar recht gut einschätzen, aus welcher Richtung der Wind wehen wird und bestimmte Technologien vorhersagen, aber zwischen solchen Spekulationen und der Überzeugung, dass alles auch wie vorhergesagt eintreten wird, liegen doch manchmal Welten. Ich war auf jeden Fall überzeugt, dass das Mooresche Gesetz zutraf, und als die Vernetzung immer mehr zunahm, brauchte man auch nur eins und eins zusammenzuzählen.

Ich war mir absolut sicher, dass die unterschiedlichen Technologien sich in diese Richtung entwickeln würden, es waren aber noch Fragen in Sachen Sicherheit, Zuverlässigkeit und Portabilität zu klären. Wirklich überrascht hat mich allerdings, dass ich selber einmal an der Lösung dieser Fragen mitwirken würde.

Aber wenn man zusammenarbeitet, muss man an der Zusammenarbeit auch Interesse haben. Für Microsoft ist das ein ziemlich langer Lernprozess. Sie mögen das einfach nicht.


ZDNet: Aber eigentlich hatten Sie Green nur als Projekt für Unterhaltungselektronik geplant?

Gosling: Als wir uns die ersten Gedanken über das Projekt machten, haben wir viel mit Leuten aus allen möglichen Bereichen gesprochen. Wir beobachteten ähnliche Entwicklungen bei Unterhaltungselektronik und dem aufkommenden Markt für Mobiltelefone sowie den eingebetteten Steuerungssystemen. Wir sprachen mit Leuten, die Fahrstühle, Lokomotiven, Beleuchtungssteuerungssysteme und Geräte für die Automobilindustrie herstellten. Und wir sprachen auch mit [Entwicklern von] Videorekordern und Fernsehern. In der ersten Runde des Green-Projekts entschieden wir uns, einen Prototyp zu entwickeln. Wir mussten einen Schwerpunkt setzen. Dass dies die Unterhaltungselektronik wurde, lag vor allem daran, dass dieses Gebiet mehr Spaß versprach.

Eine Menge Leute fanden das zwar ganz interessant, aber wir fragten uns, ob es eine Möglichkeit gab, daraus etwas Eigenständiges zu machen. Ungefähr zu dieser Zeit gab Time Warner seine Ausschreibung für ein Full-Service-Netzwerk heraus. Das war genau unsere Vision: Netzwerkanbindung zu Hause, Sprache übers Netzwerk, Video übers Netzwerk, interaktive Inhalte. Wir sagten uns: „Ja! Das ist genau das, was wir wollen, worauf wir hinarbeiten.“ Und schon waren wir dabei.

ZDNet: Das waren also im Prinzip die Kindertage des interaktiven Fernsehens?

Gosling: Ja. Es war schon ein ziemlich visionäres Konzept. Es gab eine Menge Leute, die sagten: „Da wollen wir auch mitmischen.“

Allerdings entwickelte sich die Sache mit Time Warner aus einer Vielzahl von Gründen recht merkwürdig, so dass wir letztlich doch nicht den Zuschlag erhielten. Im Nachhinein bin ich sogar froh, dass wir (gegenüber Silicon Graphics) den Kürzeren zogen. SGI hat unglaubliche Mengen Geld da hineingesteckt, bekam aber kein Geld zur Unterstützung.

ZDNet: Haben Sie bei Java nur an diesen begrenzten Einsatzbereich gedacht oder hielten Sie es für etwas, das weitere Kreise in der Computerbranche ziehen würde?

Gosling: Diese weite Verbreitung in der Branche hatten wir nicht geplant. Wir sahen uns vielmehr all diese Branchen an und stellten fest, dass sie alle auf einer grundsätzlichen Ebene ähnliche Dinge entwickelten. Jeder entwickelte Systeme mit digitalen Steuerungen. Aber es gab große Probleme in Sachen Interoperabilität. Man brauchte nur genau hinzuschauen, um zu erkennen, dass all diese Dinge irgendwann vereinheitlicht werden würden. Das ist wie bei einem Crashrennen: Man sieht, dass alle Wagen zur Mitte der Arena hin ausgerichtet sind und weiß, dass es zum großen Knall kommen wird.

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ZDNet.de Redaktion

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