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Microsoft sucht neuen Ärger

Wie in den früheren Verfahren geht es auch diesmal um die Integration von Funktionen, deren Zweck es ist, die Konkurrenz auszubooten. Als Mittel zum Zweck dienen jetzt ein paar unscheinbare Ergänzungsfelder im E-Mail-Client Outlook, die großspurig als „Business Contact Manager“ vermarktet werden. So rudimentär das Tool sein mag, es zielt in Richtung Customer Relationship Management (CRM). Deshalb wurde es nicht nur bei der Vorstellung des neue Office Systems hervorgehoben, sondern auch bei der Pressekonferenz zu Microsofts Business-Lösungen für den Mittelstand.

Die Zusatzfunktionen von Outlook sind verlockend und gerade deshalb alles andere als ungefährlich. Jeder erfahrene Computernutzer sollte es eigentlich wissen: Wer sich vom Standard entfernt, sitzt in der Falle, denn bei einem Programmwechsel, gehen genau die lieb gewonnenen Extrafunktionen flöten. Dreht es sich – zum Beispiel – nur um die hübschen Farbmarkierungen im privaten Terminkalender, dann mag der Verlust zu verschmerzen sein, doch wehe dem mittelständischen Vetriebler, der sich geschäftlich von diesem Microsoft-CRM für Arme abhängig macht. Er muss seine Arbeit in den Wind schreiben oder seine DV in die Richtung weiterentwickeln, die der Hersteller vorgibt. In Richtung „MS CRM“, oder in Richtung „Green“, der betriebswirtschaftlichen Software, die das Unternehmen derzeit entwickelt. Beide Produkte werden, so verspricht das Unternehmen, die Outlook-Einträge problemlos übernehmen können. Um es ganz deutlich zu machen: Wer dieses derzeit noch nette kleine Feature später im großen Stil weiternutzen möchte, muss nicht nur eine betriebswirtschaftliche Software kaufen, sondern auch die Windows-Messaging-Software sowie die Microsoft-Betriebssysteme für Client und Server.

Dieses Verfahren der Verschränkung von Software – in diesem Falle von Büropaket und betriebswirtschaftlicher Anwendung (CRM) – entspricht genau der Strategie, die dafür gesorgt hat, dass Microsoft-Juristen seit 1991 fast ununterbrochen Vorwürfe wegen unfairer Geschäftspraktiken gegen ihren Arbeitgeber abweisen müssen. Auch in diesem Falle wird es wohl wieder zu Klagen von Mitbewerbern kommen, die sich durch MS-CRM unfair vom Markt gedrängt fühlen. Da jedoch bislang alle Verfahren im Sande verliefen und selbst der Bruch von Abkommen mit dem Justizministerium (Consent Decree von 1994) keine Folgen hatte, dürfte der Softwarekonzern mit rechtlichen Einwänden kaum zu beeindrucken sein.

Und wie reagiert die Branche darauf? Sun hat am selben Tag wie Microsoft die aktuelle Version seiner Star-Office-Suite vorgestellt und damit geworben, dass nun unter Linux alles vorhanden sei, was man bislang vom Microsoft-Desktop gewohnt wäre. Auf die Ebene der Business-Anwendungen kann und will der Unix-Spezialist Microsoft nicht folgen. Umgekehrt dringt Redmond im Infrastrukturbereich in Suns Domäne ein, wenn dem Mittelstand (auch auf der Systems) Speicher-Management-Software angeboten wird – Microsoft-typisch integriert mit File- und Print-Servern.

Reagiert hat auf der Systems unter anderem auch die SAP – mit ähnlich problematischen Mitteln wie die Gates-Company. Wie dort, hat man beschlossen den kapitalschwachen deutschen Mittelstand durch zinsgünstige, ja zinslose Kredite für die bei ihnen georderte Programme an sich zu binden. Hier geht es nicht um Software-Geschäft, sondern – wie in den wilden New-Economy-Zeiten um Markteroberung. Beide sind bereit, die bankenübliche Konditionen auf eigenes Risiko zu unterbieten. Während die SAP lediglich auf Zinsen verzichtet, wirbt Microsoft sogar damit, dass dem Unternehmen die strengen Kriterien von Basel 2 schnuppe sind; nimmt also die Gefahr von faulen Krediten billigend in Kauf. Diese Integration von Hausbank und Softwarelieferant treibt das Microsoft-Konzept auf die Spitze und dürfte über kurz oder lang zu neuen Prozessen wegen Missbrauchs von Marktmacht führen.

Wer weiß, vielleicht geschieht ja auch ein Wunder. Es ist ein gutes Zeichen, wenn Microsoft sich hilfesuchend an den US-Senat wendet, weil seine Juristen das Rechtsverständis der Europäer nicht nachvollziehen können. Diesseits des Ozeans erinnert man sich vielleicht noch daran, dass Microsoft – vor der Amnestie durch die Bush-Administration – bereits zur Aufteilung des Konzerns verurteilt worden war.

ZDNet.de Redaktion

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