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Analysten fürchten den Markt

Mit Unternehmertum, gar freiem Markt hat das nichts zu tun. Das bekommt derzeit besonders heftig Sun-Chef Scott McNealy zu spüren. Er hat sich entschieden, seinen Überzeugungen treu zu bleiben. Sun soll ein Technologielieferant bleiben. Dazu braucht es Ideenreichtum, hohe Forschungsausgaben und den langen Atem, investitionsfeindliche Zeiten zu überbrücken. Wer auf Innovationen setzt, geht immer ein hohes Risiko ein. Das hören Analysten nicht gerne. Sie erwarten, das Unternehmen schon heute sagen, womit sie im nächsten Jahr Geld machen und vor allem wie viel. Verständlich, denn solche Auskünfte könnten ihren Analysen eine sichere Basis geben. Kein Wunder also, wenn jetzt zum Beispiel die Investment-Bank Merrill Lynch nach dem obigen Muster empfiehlt: Scott McNealy wegen Starrköpfigkeit zu ersetzen, Kosten durch Entlassungen und Streichen von Forschungsinvestitionen zu senken und sich auf Standard-Architekturen (sprich: Intel) zu konzentrieren. Von Java, einer der bedeutendsten Erfindungen der IT-Branche in den vergangen Jahren solle sich das Unternehmen wegen finanzieller Erfolglosigkeit trennen.

Nach einer solchen Kur wäre Sun nicht mehr Sun. Außerdem wäre ein Erfolg höchst ungewiss – zumal die Tipps widersprüchlich sind: Wie soll sich das Unternehmen ohne Sparc, Java und Solaris auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, wie Java auslagern und gleichzeitig das Java Enterprise System vorantreiben? Wie soll man Forschungsgelder streichen und gleichzeitig von Sparc auf Intel wechseln? Wer soll in einer derart entkernten Firma ohne McNealy die qualifizierten Mitarbeiter bei der Stange halten?

Mag sein, dass die Analysten Recht haben, und McNealy sein Unternehmen in den Ruin treibt, aber zumindest ginge Sun dann nach eigenen Konzepten und mit wehenden Fahnen unter. Doch so weit ist es noch lange nicht. Die Kriegskasse ist noch gut gefüllt und selbst die Analysten haben erkannt, wie viel Potenzial in der Rechenzentrums-Architektur N1 steckt, die allerdings noch einiger Forschungsarbeit bedarf. Java Enterprise und die Vorgängersysteme gelten dank ihrer mächtigen Werkzeuge (zum Beispiel Forté) seit Jahren als ungehobener Schatz für Software-Entwickler und Integrations-Spezialisten. Das Aufsehen erregende Preismodell und die Neupaketierung der Tools haben die Geschäftschancen deutlich verbessert. Die Achillesferse bleibt jedoch der Vertrieb. Verzweifelte Verkäufer berichten, dass es nicht glücken will, Hardeware-Fachleute auf Software-Entwicklung umzulernen.

Bei Sun ist das Problem bekannt, doch die Analysten interessieren sich nicht für solche Details. Deshalb werden die zaghaft vorgenommenen Einstellungen hinter Marketing-Aktionen versteckt, die niemand ernst nimmt: Open-Source-Anwendungspakete gegen Microsoft und jetzt auch Intel Server, preiswerter als von Dell.

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ZDNet.de Redaktion

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