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Leistung muss sich wieder lohnen

Nein, es geht hier nicht darum, Steuersenkung für IT-Unternehmen zu fordern. Eher geht es darum, ihren Kunden klar zu machen, dass es sinnvoll ist, für erbrachte Leistung tatsächlich zu zahlen. Die Geiz-ist-geil-Gesellschaft ist nämlich gerade dabei, den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt abzuwürgen. Internet-Dienstleister, die Handy-Industrie und – last but not least – die Open-Source-Gemeinde haben uns daran gewöhnt, dass fast alles im Zweifelsfall auch umsonst zu haben ist.

Schuld ist die Industrie selbst. Das Freeware-Konzept gab es schon lange, als Netscape in den 90er Jahren auf die Idee kam, daraus ein Geschäftsmodell zur Eroberung von Marktanteilen zu machen. Die massenhafte Verbreitung des Internet-Browers sollte den Verkauf des dafür passenden Web-Servers ankurbeln. Der Erfolg war so überwältigend, dass schon bald tausende von Unternehmen Programme, E-Mail-Zugang, Bildschirmschoner, Klingeltöne, Bilder und Texte via Internet verschenkten, nur um bekannt zu werden, die Klickrate zu erhöhen, den Anteil an einem Null-Umsatz-Markt zu erhöhen und so – hoffentlich, irgendwann – kostenpflichtige Werbung auf die Site zu bekommen. Hinter all diesen „Give aways“ steckt jedoch bezahlte Arbeit, für die den Unternehmen inzwischen eigentlich das Geld fehlt. Daher versuchen sie nun verzweifelt ihre Internet-Dienste kostenpflichtig zu machen — die meisten ohne Erfolg. Ähnliche Probleme haben die Handy-Hersteller, die es heute nicht mehr schaffen, den Kunden zu erklären, dass die Produktion ihrer winzigen Telefone mehr als einen Euro kostet.

Ein weiteres Beispiel: Noch Anfang dieses Jahres waren so genannte Hot Spots, kabellose Internetzugänge der Renner in jedem besseren Lokal, ganz besonders in Münchner Biergärten. Seit der Service Geld kostet, kommen die Surfer ohne Notebook, weil sie zu Hause oder im Büro über eine weitaus günstigere Verbindung verfügen. Schon aus diesem Grund dürfte der Traum von Metronetzen inzwischen geplatzt sein.

Eine besonders unglückliche Rolle spielt im Kampf um Marktanteile die Open-Source-Gemeinde. Mit guten Gründen ist sie einst dagegen aufgetreten, dass mit patentierten Pseudo-Erfindungen (der Menü-Button links oben) Geld verdient wird. Ihren Erfolg verdankt die Bewegung jedoch vor allem der Tatsache, dass Open-Source-Software meist kostenlos — oder doch sehr billig ist. Zu den wesentlichen Durchbrüchen gehörte, dass Hersteller den Preis von Web-Server-Geräten mit Hilfe von Freeware auf unter 500 Euro drücken konnten. Der kommerzielle Erfolg führte dazu, dass die Open-Source-Szene heute nicht mehr von Studenten und Freaks dominiert wird, sondern von gut bezahlten Entwicklern bei IBM oder Sun. Überall helfen Freeware und Open-Source-Programme, die Kosten der Hersteller zu senken und machen dabei all den Softwerkern Konkurrenz, die darauf angewiesen sind für ihre Produkte Lizenzgebühren zu verlangen. Einfach gesagt: Sie verderben die Preise.

Nun ließe sich argumentieren, dass sinkende Preise doch im Interesse aller seien. Doch das stimmt nicht immer. Sinkende Preise gehen fast immer auf Kosten der Qualität und wie einige der Beispiele zeigen, auch auf Kosten der Innovationsbereitschaft. Vor allem aber stärken sie tendenziell die Großen des Marktes, die niedrige Preise über hohe Absatzzahlen oder durch Einnahmen aus anderen Quellen auffangen können. So gehört zu den größten Gewinnern der Linux-Booms ausgerechnet der Brancheprimus IBM. Um das Gegenargument vorweg zu nehmen: Es stimmt und es mag sogar wünschenswert sein, dass proprietäre Monopolisten wie Microsoft durch das Open-Source-Konzept in Bedrängnis kommen. Doch wo das Unternehmen aus Redmond Druck spürt, sind andere längst pleite.

Wie im Internet und bei den Handys dürfte es allerdings ausgesprochen schwierig werden, das Etikett „billig“ von den Open-Source-Produkten abzureißen. Zu den Voraussetzungen gehört, den Anwendern bewusst zu machen, dass Geiz nicht geil ist. Zum einen, weil ihnen bei High-Tech-Sonderangeboten das Geld meist anderswo aus der Tasche gezogen wird, siehe Mobilfunkverträge. Zum anderen, weil gerade kleinere und innovative Unternehmen mit den von großen Konzernen gesponserten Billigprodukten (Internet, Open Source) nicht mithalten können. Niedrige Preise heißt für sie schlicht, dass sich ihre Entwicklungsleistung unter solchen Marktbedingungen nicht mehr lohnt.

ZDNet.de Redaktion

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