Schlingensief provoziert die FDP im Internet

Der Theaterprovokateur Christoph Schlingensief serviert mal wieder starken Tobak: Auf seiner Site steht unübersehbar ein Foto mit dem Nazi-Spruch „Juden sind hier unerwünscht“, darüber öffnet sich automatisch eine Seite mit dem Bild einer Bücherverbrennung des neuen Walser-Romans „Tod eines Kritikers“. Und daneben zeigt Schlingensief Fotos vom stellvertretenden FDP-Chef Jürgen Möllemann sowie das Parteiemblem der Liberalen. Die FDP wird nach ihrem Antisemitismus-Streit im Internet mit braunem Dreck beschmutzt, und das nicht nur auf der von Schlingensief extra im Gelb der Partei gehaltenen aktion18-Seite.

Schlingensiefs Internet-Auftritt ist trotz der skandalträchtigen Inhalte noch zugänglich, allerdings befasst sich mittlerweile die Staatsanwaltschaft Berlin damit. Bereits gesperrt ist dagegen eine mit der Landeskennung von Kasachstan (kz) gestartete Seite. Besucher der geschmacklosen Adresse http://juden.ins.kz wurden von dort direkt zur Homepage der Bundes-FDP weitergeleitet, berichtet Uwe Evers von der Verlagsgruppe Universum. Mittlerweile hat die FDP veranlasst, dass Strafanzeige gegen den noch unbekannten Betreiber der Seite erlassen wird.

Evers betreut den Internet-Auftritt der Liberalen und hat im Zusammenhang mit den israel-kritischen Äußerungen Möllemanns und dessen Streit mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, einen gewaltigen Run auf die gelben Seiten verzeichnet. „Die Zahl der Zugriffe lag im Mai doppelt so hoch wie im April“, sagte Evers. Die FDP erreichte da einen Rekordwert von etwa 1,25 Millionen Seitenaufrufen und lag laut Evers damit auf einem Niveau mit SPD und CDU. Im Juni sei die Zahl vermutlich sogar noch mal gestiegen. Und von den Teilnehmerzahlen in den Diskussionsforen her betreibe die FDP mittlerweile eines der größten politischen Foren in Deutschland überhaupt. Allein seit Beginn der Antisemitismus-Debatten hätten die Nutzer über 30.000 Beiträge geschrieben.

Doch zwischen die Teilnehmer, die ernsthaft über Inhalte oder das „Projekt 18“ diskutieren wollten, mischten sich laut Evers seit dem Antisemitismus-Streit auch etliche Störenfriede. Neben ernsthaften Einträgen habe es Beleidigungen und rechte Propaganda gegeben. Während die Foren vorher „die liberalsten aller Parteien“ gewesen seien und deren Moderatoren auf jede Zensur verzichtet hätten, filtere die Partei deshalb mittlerweile auch aus. So werde genau überprüft, dass sich die Nutzer persönlich anmelden. Anonyme E-Mail-Schreiber sollen damit keine Chance haben. „Alles, was rechtswidrig ist, wird außerdem per se gelöscht.“

Der mit dieser Überwachung verbundene große Zeit- und Personalaufwand hängt mit dem Boom des Internets in den vergangenen vier Jahren zusammen: Während es bei den Wahlen 1998 noch längst kein Massenmedium war und von den Parteien eher stiefmütterlich behandelt wurde, ist es in diesem Wahlkampf ein wichtiger Informationsträger geworden. „Das ist nicht nur ein PR-Instrument, sondern ein wichtiges Kommunikationsmittel“, sagt Evers.

Umso wichtiger ist es für die Parteien, dass es auch richtig funktioniert. FDP-Vize Jürgen Möllemann musste hier zuletzt Abstriche machen. Hacker hatten seine Homepage während des Israel-Streits angegriffen und rechtsradikale Parolen in seinen Diskussions-Foren platziert. Möllemann musste die Foren deshalb sperren und technisch überarbeiten lassen. Nachdem die Arbeiten eigentlich bereits beendet sein sollten, musste der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende die Seite zunächst weiter gesperrt lassen. Ab Donnerstag sollen die Nutzer unter www.juergenwmoellemann.de aber wieder über dessen Politik diskutieren können.

ZDNet.de Redaktion

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