Cambridge Analytica: Facebook unter Druck

Innerhalb weniger Tage hat Facebook etwa 10 Prozent seines Börsenwerts eingebüßt. Der Grund dafür liegt in der Zusammenarbeit mit dem von der britischen SCL Group gegründeten Unternehmen Cambridge Analytica, die das Soziale Netzwerk jedoch inzwischen aufgekündigt hat.

Cambridge Analytica sammelt gemäß seinem Firmenmotto „Daten treiben alles an, was wir tun“ Informationen über Personen, aus denen es Schlüsse über die soziale Stellung und politische Einstellung generiert. Laut Recherchen des Guardian (auf deutsch) hat das Unternehmen die Brexit-Kampagne und in der Folge auch den Wahlkampf von Donald Trump unterstützt. Angeblich hat Cambridge Analytica auch mit Palantir an gemeinsamen Projekten gearbeitet. An Palantir ist Trump-Unterstützer Peter Thiel mehrheitlich beteiligt, während an Cambridge Analytica der frühere Informatiker und heutige Hedgefonds-Manager Robert L. Mercer beteiligt sein soll. Laut Guardian hat Mercer Cambridge Analytica 15 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Außerdem hat er auch die rechte Website Breitbart finanziert.

All das war aber schon letztes Jahr bekannt und verhallte ohne zum Skandal zu werden. Dafür bestand schließlich auf kein Grund. Solange Firmen sich auf dem Boden des Gesetzes bewegen, tritt kein Staatsanwalt auf den Plan. Woher kommt nun die ganze Aufregung? Facebooks Anwalt Paul Grewal begründet die Trennung von Cambridge Analytica wie folgt:

Im Jahr 2015 erfuhren wir, dass ein Psychologieprofessor an der Universität Cambridge namens Dr. Aleksandr Kogan uns angelogen und unsere Plattformrichtlinien verletzt hat, indem er Daten von einer Anwendung, die Facebook-Login verwendet, an SCL/Cambridge Analytica weitergab, eine Firma, die weltweit politische, staatliche und militärische Arbeit leistet. Er gab diese Daten auch an Christopher Wylie von Eunoia Technologies, Inc. weiter.

Wie alle App-Entwickler forderte Kogan Informationen von den Leuten an und erhielt Zugang zu ihnen, nachdem sie sich entschieden hatten, seine App herunterzuladen. Seine App „thisisyourdigitallife“ bot eine Persönlichkeitsprognose und stellte sich auf Facebook als „eine von Psychologen genutzte Forschungsanwendung“ vor. Rund 270.000 Menschen haben die App heruntergeladen. Dabei gaben sie ihr Einverständnis, dass Kogan auf Informationen wie die Stadt, die sie in ihrem Profil angegeben hatten, oder auf Inhalte, die ihnen gefallen hatten, sowie auf Informationen über Freunde, die ihre Privatsphäre-Einstellungen so eingestellt hatten, dass sie dies zuließen, zugreifen konnte.

Obwohl Kogan Zugang zu diesen Informationen auf legitime Weise und über die richtigen Kanäle erhielt, die damals für alle Entwickler auf Facebook galten, hielt er sich später nicht an unsere Regeln. Durch die Weitergabe von Informationen an Dritte, einschließlich SCL/Cambridge Analytica und Christopher Wylie von Eunoia Technologies, hat er unsere Plattformrichtlinien verletzt. Als wir von diesem Verstoß im Jahr 2015 erfuhren, entfernten wir seine App von Facebook und forderten von Kogan und allen Parteien, denen er Daten zur Verfügung gestellt hatte, diese Informationen zu vernichten. Cambridge Analytica, Kogan und Wylie haben uns bestätigt, dass sie die Daten vernichtet haben.

Regelverstöße führen zur Suspendierung

Vor einigen Tagen erhielten wir Berichte, dass entgegen den uns erteilten Zertifizierungen nicht alle Daten gelöscht wurden. Wenn dem so ist, dann ist das eine weitere inakzeptable Verletzung des Vertrauens und der Verpflichtungen, die sie eingegangen sind. Wir suspendieren SCL/Cambridge Analytica, Wylie und Kogan von Facebook, bis weitere Informationen vorliegen.

Ergänzend zu diesem Beitrag stellte Facebooks Anwalt klar, dass es sich bei dem Vorfall um keinen Datenverstoß handele. Die von Kogan gesammelten Informationen gehörten zu Facebook-Nutzern, die sich für seine App entschieden hatten. „Es wurden wissentlich Informationen zur Verfügung gestellt, keine Systeme infiltriert, keine Passwörter oder sensible Informationen gestohlen oder gehackt.“

Facebook: Von anderen Nutzern verwendete Apps dürfen Daten auslesen (Screenshot: ZDNet.de)

Umso erstaunlicher ist die ganze Aufregung, die nun rund um Facebook herrscht. Dass Big-Data-Firmen an Daten interessiert sind, dürfte inzwischen kaum jemanden überraschen. Und dass Datenanalyse für Wahlkampfzwecke genutzt wird, ist seit der Obama-Ära auch bekannt. Damals wurde der US-Präsident wegen seiner innovativen Wahlkampfmethoden gefeiert. Für die daran beteiligten Firmen stieg das Renommee und ein paar Jahre später fällt der Aktienkurs wegen Big Data. Seltsam, das Ganze.

Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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