Neuer Streit: Wichtige Wikipedia-Mitarbeiter machten PR

Zwei führende Wikipedia-Mitarbeiter haben bei der Online-Enzyklopädie offenbar im Sinne von PR-Kunden gewirkt. Einer von ihnen betreibt nebenbei sogar eine SEO-Agentur, die die Bearbeitung von Wikipedia-Beiträgen offen anbietet.

UntrikiWiki: Wikipedia-Bearbeitung im Angebot

Roger Bamkin, ein Kurator der britischen Wikimedia Foundation, ist laut seiner LinkedIn-Seite ein hochbezahlter PR-Berater. Zu seinen Klienten zählt Gibraltar, das vor allem von Tourismus lebt und dafür wirbt. Bamkin scheint dafür gesorgt zu haben, dass Gibraltar allein im Monat August auf der Eingangsseite der englischsprachigen Wikipedia 17-mal herausgestellt wurde, also alle zwei bis drei Tage. Neben den Olympischen Spielen tauchte das britische Überseegebiet Gibraltar somit am häufigsten auf – und nach Schätzungen erreicht die Seite monatlich Hunderte von Millionen Lesern.

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales war nicht amüsiert, als er davon erfuhr: „Es ist höchst unangebracht für ein Kuratoriumsmitglied oder jeden anderen, der eine offizielle Rolle bei Wikipedia hat, Zahlungen von Klienten anzunehmen, um für eine bevorzugte Platzierung auf der Hauptseite von Wikipedia oder anderswo zu sorgen.“

Zum Hintergrund gehört allerdings auch die offizielle Zusammenarbeit von Wikipedia und Gibraltar, in deren Rahmen Gibraltar seine Sehenswürdigkeiten mit QR-Codes versah – werden sie mit einem Smartphone eingescannt, führen sie zu Wikipedia-Artikeln über die jeweiligen Objekte. Bei Gibraltarpedia stellt sich Gibraltar selbst als „erste Wikipedia-City der Welt“ dar, obwohl die britische Ortschaft Monmouth mit Monmouthpedia bereits ein ähnliches Projekt umsetzte.

Während Bamkins Beratertätigkeit bekannt wurde, enthüllten Mitglieder der Wikipedia-Community gleichzeitig ein Nebengeschäft von Wikipedia-Mitarbeiter Max Klein. Sowohl Bamkin als auch Klein sind Wikipedians in Residence, die als Wikipedia-Autoren für die In-Haus-Zusammenarbeit mit anderen Organisationen abgestellt sind, beispielsweise für Kunstgalerien, Bibliotheken, Archive und Museen. Sie werden teilweise sogar von diesen bezahlt, sind aber ausdrücklich verpflichtet, Interessenkonflikte zu vermeiden und keine Artikel zu bearbeiten, die sich auf die jeweilige Organisation beziehen.

Pikanterweise betrieb Maximilian Klein mit UntrikiWiki ein Unternehmen für Öffentlichkeitsarbeit und Suchmaschinenoptimierung. „Ein positiver Wikipedia-Artikel ist unschätzbar wertvolle SEO: Es ist fast garantiert einer der ersten drei Treffer bei Google“, hieß es in der Selbstdarstellung dieser Firma. „Wir haben die notwendige Expertise, um durch das komplexe Labyrinth rund um ‚Interessenkonflikte‘ bei der Bearbeitung von Wikipedia zu kommen. Mit über acht Jahren Erfahrung, über 10.000 Bearbeitungen und zahllosen Community-Verbindungen können wir ganzheitliche Wikipedia-Dienste anbieten.“

„Ich war mir dieses Falls nicht bewusst und hatte noch keine Zeit, mir das anzusehen“, sagte Wikipedia-Chef Wales dazu. „Wenn das stimmen sollte, dann bin ich darüber natürlich sehr unglücklich. Es ist ekelhaft.“

UntrikiWiki bestreitet inzwischen jegliche Bearbeitung von Wikipedia-Beiträgen, bei denen ein Interessenkonflikt bestanden hätte, nicht aber die Ausführung bezahlter Aufträge: „Wir sind fest davon überzeugt, dass nichts grundlegend falsch an bezahlten Aufträgen ist, bei denen es auch um Beiträge zu Wikipedia geht, solange es in einer transparenten und ethischen Weise geschieht.“

[mit Material von Violet Blue, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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