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HP-Chef Apotheker muss Farbe bekennen

Hewlett-Packard hat trotz zuletzt ausgesprochen positiver Zahlen, einiger sehr guter Nachrichten für die Dienstleistungssparte und einem äußerst positiven Ausblick turbulente Monate hinter sich. Dazu haben einige teure Übernahmen, Skandälchen und Schlammschlachten um den zu Oracle gewechselten ehemaligen Chef Mark Hurd beigetragen. Für Aufregung sorgten zudem die möglicherweise für neue negative Schlagzeilen tauglichen Altlasten des neuen HP-Chefs Léo Apotheker aus seiner Zeit bei SAP. Das alles hat nicht nur die Stimmung intern belastet, sondern auch bei externen Beobachtern für zahlreiche Fragezeichen gesorgt.

Einige Andeutungen haben HP-Verantwortliche zwar bereits zu Geräten mit WebOS gemacht, auf die sie große Hoffnungen setzen, aber dem unglaublich breit aufgestellten Konzern werden allein Andeutungen zu neuen, hoffentlich erfolgreicheren Tablets und anderen mobilen Geräten bei weitem nicht gerecht. Außerdem erwarten Kunden, Partner und Analysten Antworten darauf, wie sich HP mittelfristig gegen die zu Feinden gewordenen ehemaligen Partner Cisco und Oracle aufstellt.

Apothekers Gnadenfrist der ersten hundert Tage ist jedoch abgelaufen, ein umfassender Strategieplan längst überfällig. Den will HP aller Voraussicht nach im März beim jährlichen Aktionärstreffen vorstellen. Doch offensichtlich sind erste Details der Diskussion, die Léo Apotheker derzeit mit den Mitgliedern des Verwaltungsrats führt, durchgesickert.

Nach einem Artikel des Wall Street Journals vom 15. Januar, der sich auf interne HP-Quellen beruft, erschienen dann entsprechende Meldungen in den Medien: Dem Vernehmen nach will Apotheker HP künftig wesentlich stärker auf die Geschäftsbereiche Software, Networking und Speichersysteme konzentrieren. Diese seien derzeit profitabler als das Geschäft mit „Persönlichen Systemen“ und Firmenservern. Diese Ausrichtung soll durch weitere Investitionen untermauert werden.

Mögliche Personalveränderungen

Damit scheinen Personalveränderungen in der oberen Managementriege verbunden zu sein. Das betrifft sowohl die verdiente Managerin Ann Livermore, wie auch die mit ihr arbeitenden HP-Verantwortlichen David Donatelli und Tom Hogan. Zusätzlich wird erwartet, dass einige Executives, unter ihnen der Technologie-Chef Randy Mott, das Unternehmen verlassen.

Eine Veränderung im Geschäftsbereich HP Enterprise Business (vormals TSG – Technology Solutions Group) war von Branchenbeobachtern schon seit langem erwartet worden. Der von der Veteranin Ann Livermore geleitete Bereich mit den Untergruppen Services, Enterprise Storage and Servers sowie HP Software stand beim Jahresabschluss des Geschäftsjahres 2010 mit einem Umsatz von 57,6 Milliarden Dollar als wichtigster Bereich in den Büchern. Der Gesamtumsatz von HP als umsatzstärkster IT-Konzern lag bei 126,033 Milliarden Dollar.


Ann Livermore (Bild: Hewlett-Packard).

Dem Artikel des Wall Street Journals zufolge soll Livermore weggelobt werden, künftig die Position des Vice Chairman besetzen und in den Verwaltungsrat aufsteigen. Die große Abteilung soll dann aufgespalten und zum Teil von Donatelli (Hardware) und Hogan (Services) geleitet werden. Beide würden direkt an Léo Apotheker berichten.

Mit dieser Veränderung geht bei HP eine Ära zu Ende, in der die 53-jährige Ann Livermore wichtige Funktionen bekleidet hat, aber nie auf den von ihr angestrebten Chefposten aufgestiegen war. Die aus North Carolina stammende Livermore ist bereits seit 1982 bei HP. Ein MBA-Studium an der Stanford University hatte sie damals nach Palo Alto geführt. Schon seit dem Wechsel von Lewis Platt im Jahre 1999 hat Livermore gehofft, zur Firmenchefin berufen zu werde. Doch dreimal wurde sie enttäuscht, indem der Konzern von außen geholte Manager bevorzugte. Erst kam die umtriebige Carly Fiorina (von AT&T/Lucent), dann Mark Hurd (von NCR/Teradata) und nun Léo Apotheker (von SAP). Für die langjährige Insiderin war kein Platz an der HP-Spitze.

Weitere Annäherung an Microsoft?

Technisch wird bei der Neuausrichtung von HP wohl, wie derzeit bei allen bedeutenden IT-Unternehmen, das Thema Cloud Computing eine Rolle spielen. Dafür sieht sich HP mit seinem Kombinationsangebot aus Servern nach Industriestandard (ProLiant), Speichern und eigener Netzausrüstung (ProCurve und 3Com) als breiter Anbieter auch für Kunden des Mittelstands gut gerüstet.

In diesem Umfeld ist auch damit zu rechnen, das HP und Microsoft – trotz einer möglichen Entfremdung im PC-Segment – stärker als bisher als Konkurrenten von Oracle/Sun zusammenarbeiten werden. Erste Schritte dazu sind bereits unternommen worden, indem die Partner eine Reihe von Enterprise-Appliances vor allem für Business Intelligence vorgestellt haben.

Inwieweit es auch zu einer verstärkten Kooperation mit SAP kommen wird, muss sich zeigen. Dies sollte angesichts der Tatsache, dass Léo Apotheker bis vor kurzem Chef von SAP war, sicher möglich sein. Apotheker wird nach seinem nicht gerade würdevollen Abgang aus Walldorf zeigen müssen, wozu er als Chef des umsatzstärksten IT-Unternehmens weltweit in der Lage ist. Denn darüber herrschen in der Branche sehr unterschiedliche Meinungen.

ZDNet.de Redaktion

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