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Virgin Atlantic: Social Network als PR-Katastrophe

Ein aktuell in England und den USA Aufsehen erregender Fall macht deutlich, wie dilettantisches Engagement im Social Web für Firmen schnell zum PR-GAU führen kann.

Die Fluggesellschaft Virgin Atlantic präsentiert sich unter anderem bei Facebook. Der Auftritt dort hat rund 7000 Mitglieder angelockt. So weit, so gut. Zum Eklat kam es jetzt, als die Luftlinie 13 Flugbegleitern kündigte, die in eben diesem Forum die Sicherheitsstandards des Unternehmens kritisiert und die Fluggäste als „Chavs“ beschimpft hatten – was sich am einfachsten sinngemäß mit „Prols“ übersetzen lässt.

Ein Sprecher der Airline begründete die Entlassungen damit, dass es keine Rechtfertigung dafür gebe, wenn Personal den Facebook-Auftritt als Plattform nutze, um sich öffentlich über genau die Passagiere zu beschweren, die letztendlich ihr Gehalt bezahlten. Es seien genügend interne Kanäle vorhanden, um angemessenes Feedback an die richtigen Stellen zu transportieren.

Da war das Kind aber schon in den Brunnen gefallen, die Meldung über den Vorfall hatte ein ein Vielfaches der Menschen erreicht, die die rüpelhaften Bemerkungen innerhalb des Forums gelesen hatten. Wie konnte das passieren?

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Ein Auftritt bei Facebook wirkt zwar wie eine private Veranstaltung, ist aber letztendlich so öffentlich, wie etwas nur sein kann. Dieser Gegensatz wird aber nur zum Teil erkannt – und schon gar nicht beherrscht. Das zeigt auch die wie ein Hilferuf wirkende Forumsrubrik This is an OFFICIAL page! und das dort von Reena gepostete Bedauern, dass sie leider alleine für den Bereich verantwortlich sei und deshalb nicht immer so flott reagieren könne, wie man sich das vielleicht wünsche.

Was gibt es sonst noch? Als Fluggast ist man sofort ein „Fan“ und wird in eine langandauernde Kommunikationsbeziehung mit dem Unternehmen verstrickt: Die dazu ausgesendeten E-Mails mit Spezialangeboten sind nichts Besonderes in der Branche. Ebensowenig der Beitrag zur Firmengeschichte, der Link auf Werbespots, der Hinweis auf den neuen James-Bond-Film und wie Virgin daran beteiligt ist. Auch die Verbalattacken des Virgin-Besitzers und Milliardärs Richard Branson gegen den Konkurrenten British Airways sind nicht dazu angetan, die Interaktion mit dem Benutzer zu fördern und wenig Web-2.0-like. Am ehesten geht in diese Richtung noch der Vorschlag, dass man seine Virgin-Socken bei seinen Reisen fotografieren und diese Bilder dem Unternehmen zuschicken soll. Na ja, wem es Freude macht…

Indem ein internationales öffentliches Forum eingerichtet wurde, in dem letztendlich jeder sagen kann, was er will, hat sich das Unternehmen zu weit vorgewagt. Selbstverständlich sollten Firmenangehörige das nicht benutzen, um über die Kunden zu lästern, Externe können dort jedoch so ziemlich alles schreiben, was ihnen gerade einfällt. So gesehen hat Virgin Atlantic bisher noch Glück gehabt…

Die öffentlich gewordenen Entlassungen zeigen gut was geschieht, wenn in Firmen ohne übergreifende interne Netzwerke und Kommunikationsstrukturen ein Machtvakuum entsteht. Es gibt nämlich eine Wechselwirkung zwischen einem gut organisierten internen Netzwerk, wo sich Mitarbeiter auch einmal ganz ungeniert ausweinen und ihren Kummer abladen dürfen, und dem nach außen orientierten sozialen Netzwerk. Oder anders gesagt: Es wäre in der guten alten Zeit wohl keinem Unternehmen eingefallen, die Zettel aus dem Kummerkasten neben der Betriebskantine in ihren Anzeigenkampagnen zu veröffentlichen. Oder?

Schaut man sich die aktuelle Situation bei Virgin Atlantic an, dann wurde bisher wohl nur das erste der drei Firmenziele erreicht: „To grow a profitable airline, where people love to fly and where people love to work.“

Dafür sind es ja aber auch Ziele. Die Diskussion darüber, wie sich an Punkt zwei und drei arbeiten lässt, sollte aber erst einmal intern stattfinden. Wenn man genauere Vorstellungen hat, spricht ja nichts dagegen, die mit den Kunden zu teilen. Und da könnten sich dann soziale Netzwerk als Diskussionsplattform eignen. Aber solange unklar ist, was eigentlich erreicht werden soll, und nur um auch dabei zu sein, bewegt sich die neue Web-Welt einfach zu schnell und zu dynamisch.

ZDNet.de Redaktion

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