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Mobilfunk-Krimi weitet sich zur Staatsaffäre aus

Lange sah es aus wie eine Privatfehde zwischen zwei Managern im Stile von David und Goliath: hier Michel Bon, der Chef des Pariser Telefonriesen France Télécom, dort Gerhard Schmid, der umtriebige Gründer der Büdelsdorfer Telefonfirma Mobilcom (Börse Frankfurt: MOB). Schmid ist aus dem Rennen, auch Bon musste seinen Hut nehmen. Ihre beiden Firmen sind schwer angeschlagen. Nun laufen die Drähte heiß zwischen Berlin und Paris.

Was als Mobilfunk-Krimi begann, hat sich zu einer deutsch-französischen Staatsaffäre ausgeweitet. Auf dem Spiel stehen Milliardenbeträge für die Steuerzahler in beiden Ländern sowie Tausende Arbeitsplätze – und das eine Woche vor der Bundestagswahl. Angesichts des heiklen Themas zeigt sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wenig diplomatisch: Damit Mobilcom vor der Pleite bewahrt werden kann, müsse der Pariser Partner weiter zahlen. Eine Herausforderung nicht nur für das quasi kopflose Unternehmen France Télécom, sondern vor allem für seinen Mehrheitseigentümer: den französischen Staat. Gebe es keine Einigung mit dem Partner in Frankreich, habe Mobilcom „hohe Schadensersatzansprüche“, warnt der Kanzler.

Ein kompliziertes Vertragswerk sichert aus deutscher Sicht den Büdelsdorfern Milliarden aus Frankreich, um das Multimedia-Netz UMTS zu errichten. Aus Pariser Sicht liegen die Dinge indes längst nicht so klar. France Télécom könne sein 28,5-prozentiges Mobilcom-Paket abschreiben und die deutsche Firma in die Pleite schlittern lassen, glauben Experten hier. Dahinter steckt zunächst einmal wie in Berlin die Angst um die eigene Staatskasse. Während die Mobilcom-Notkredite der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) noch in überschaubaren Größenordnungen liegen, könnte France Télécom wohl mit bis zu 16 Milliarden Euro herangezogen werden.

Dabei steht Frankreich wie Deutschland angesichts schwacher Konjunktur und zahlreicher Haushaltslasten vor dem Spagat, die Stabilitätsversprechen für den Euro zu halten und dabei noch eigene politische Schwerpunkte zu setzen. Präsident Jacques Chirac hat den Franzosen kräftige Steuersenkungen in Aussicht gestellt. Und die von ihm eingesetzte rechts-bürgerliche Regierung will gerade weitere Staatskonzerne an die Börse bringen wie den Stromanbieter Electricité de France (EdF), den Mutterkonzern der Karlsruher EnBW.

Wie der Staat bei France Télécom vorgeht, wird misstrauisch beäugt. Seit Wochen haben Börsenspekulanten schon das Treiben um Mobilcom aufmerksam verfolgt und für eine Achterbahnfahrt der Aktienkurse gesorgt. Nun hat die Stunde der Juristen geschlagen. Das Bundesjustizministerium sichtete die Verträge zwischen Mobilcom und France Télécom, zwischen Berlin und Paris laufen die Drähte heiß. Im Umfeld des französischen Präsidenten herrscht zunächst weitgehend Funkstille. Mit dem Einstieg der hohen Politik ist der Streit nicht einfacher geworden. Der Pariser Finanzminister Francis Mer merkt bitter an, die Deutschen hätten mit ihrer Auktion der UMTS-Lizenzen erst die Mobilcom-Probleme ausgelöst – und dabei schließlich auch hohe Einnahmen erzielt. Nun seien sie in der Schuld. Einzelene Vertreter der Chirac-Partei UMP schieben der Vorgängerregierung unter dem Sozialisten Lionel Jospin einen Teil der Verantwortung zu, weil sie den teuren Expansaionskurs von France Télécom nicht gebremst habe.

In Chiracs Elysée-Palast wird der handfeste deutsch-französische Interessenkonflikt dabei tiefer gehängt als in Berlin. Kein Wunder: Während für Schröder der Wahl-Countdown läuft, hat Chirac seine Wiederwahl schon in der Tasche und für fünf Jahre dazu nahezu absolute Macht im eigenen Land. Zwischen den zuständigen Ministerien und den Wirtschaftsberatern gebe es Kontakte, heißt es im Elysée; Schröder und Chirac hätten das Thema zuletzt nicht direkt besprochen. Die Krisendiplomatie hat erst begonnen.

ZDNet.de Redaktion

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