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Chinas WTO-Beitritt würde IT-Branche umkrempeln

Die WTO hat am Montag angekündigt, dass sie ihre Verhandlungen über einen Beitritt von China und Taiwan zur Welthandelsorganisation beendet hat. Somit dürften die beiden Staaten beim November-Treffen in Qatar ihre offizielle Einladung zum Beitritt in die WTO erhalten. Danach wird der IT-Markt nach Einschätzung von Beobachtern und Experten nie wieder derselbe sein.

China dürfte nach Angabe von etlichen Quellen, die nicht genannt werden wollen, eine Reform seiner Gesetze einleiten, was mehr Sicherheit für Investoren bedeuten würde. „Die chinesische Regierung wird der Rechtsprechung mehr Freiheiten einräumen und die örtlichen Gerichte vom Einfluss der Bezirks-Regierung befreien“, so die Einschätzung des Vizepresidents der gemeinnützigen Handelsorganisation „US-China Business Council“, John Foarde.

Der WTO-Beitritt wird aber auch über den Vermarktungsweg der Computer-Komponenten entscheiden. Momentan produziert Taiwan einen erheblichen Anteil an der Hardware für den Weltmarkt. Doch in Zukunft wird der Inselstaat vermutlich nur noch ein Logistik- und Designzentrum sein, das eine Schnittstelle zwischen West und Ost darstellt. Die Fertigung wird von billigen Arbeitskräften auf dem chinesischen Festland erledigt.

„Taiwan wird in Zukunft mit seiner Design-Erfahrung Geld verdienen, mit der Logistik sowie mit den Kontakten zu Lieferanten“, sagte der stellvertretende Marketing-Chef des taiwanischen Unternehmens Via, Richard Brown. „Der Exodus nach China läuft bereits.“

Experten schätzen, dass etwa 1300 chinesische Gesetze geändert werden müssen, um den Anforderungen der WTO nach Ausräumung von Handelshindernissen zu entsprechen. Zudem erhoffen sich zahlreiche Manager, dass die Korruption so eingedämmt werden kann. „Es gibt landesweite Gesetze und solche für den jeweiligen Bezirk und beide sind offen für Interpretationen“, so der Manager eines IT-Unternehmens, das weitreichende Handelsbeziehungen in China unterhält.

Eine weitere Folge der Einladung in die WTO wird verschärfter Wettbewerb sein. Vor allem für das staatseigene Unternehmen Legend Computer dürften die Zeiten des Monopols auf den Vertrieb von westlichen PCs vorbei sein. Bereits im vergangenen Sommer bekam Legend Konkurrenz von Dell (Börse Frankfurt: DLC), das einen Billig-PC speziell für den chinesischen Markt veröffentlicht hat. Das Unternehmen hat seit Mai 2001 auch Fertigungs-Kapazitäten von Malaysia nach China verlegt.

Der politische Streit zwischen Taiwan und China wird nach Ansicht von Experten zu einem wirtschaftlichen werden: „Hier gibt es viele gute Ingenieure“, sagte Via-Manager Brown. Das Unternehmen beschäftigt etwa 300 Techniker in Entwicklungs-Zentren in Peking und Schanghai. Die Kooperation wird aber durch die taiwanische Regierung erschwert: Es gibt Begrenzungen dafür, wieviel ein taiwanisches Unternehmen in China investieren darf. Eine vollständige Halbleiter- oder Notebook-Fabrik auf dem Festland zu eröffnen, ist den Inselbewohnern verboten. Doch die taiwanischen Wirtschafts-Bosse intervenieren seit geraumer Zeit, dass eine Kooperation mit den Volksgenossen lukrativer sei, als der direkte Wettbewerb der Systeme.

„Die taiwanischen Unternehmen sollten sich aktiv an der Entwicklung auf dem chinesischen Festland beteiligen und helfen“, sagte der Aufsichtsratvorsitzende des weltgrößten Chip-Herstellers Taiwan Semiconductor Manufacturing, Morris Chang, bei einer Rede im September 2001. „China wird eine Halbleiterindustrie entwickeln und sich die Unterstützung von anderen Firmen holen. Und wenn Taiwan sich daran nicht beteiligt, wird das die Volksrepublik nicht aufhalten.“

Es wird noch einige Zeit dauern, bis China und Taiwan Mitglieder der WTO sind. Momentan ist die offizielle Taiwan-Politik der Volksrepublik noch ein schwerwiegendes Problem. Das musste auch die Credit Suisse First Boston erfahren, die von einem Geschäft mit China Unicom ausgeschlossen wurde, nachdem sie der taiwanischen Regierung bei einer Promotion-Tour durch Europa assistiert hatte. Doch die Aussicht auf den riesigen chinesischen Markt wird die übrigen Unternehmen das Risiko eingehen lassen.

ZDNet.de Redaktion

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