EU: Regelung zum Cyber-Crime unter Beschuss

Im Vorfeld eines Treffens der 41 Mitgliedstaaten des Europarates in Straßburg, Frankreich, zum Thema Cybercrime hat eine Koalition von 22 Menschenrechtsorganisationen und Datenschützern erneut einen offenen Brief an die Teilnehmer gerichtet. Bereits im Oktober war ein erstes Schreiben der Global Internet Liberty Campaign (GILC) an den Konferenzleiter Walter Schwimmer gegangen (ZDNet berichtete ausführlich).

In dem neuen Schreiben führen die Menschenrechtler an, ihre Einwände vom Oktober seien offenbar auf taube Ohren gestoßen. Nach wie vor sehen sie die Gefahr eines europäischen Polizeistaates im Internet. „Mit Bestürzung und Erschrecken stellen wir fest, dass die Konvention nach wie vor ein Dokument darstellt, das die Rechte des Einzelnen bedroht, während die Macht der politischen Autoritäten erweitert wird“, heißt es in dem Brief.

Die erste Version des Europarat-Abkommens wurde am 2. Oktober veröffentlicht. Darin wurde unter anderem versucht, einheitliche Vorschriften und Gesetze für Verbrechen im Internet für ganz Europa zu definieren. Die Staaten verpflichten sich demnach zu folgenden Maßnahmen:

  • Den illegalen Zugang, das Abhören oder die Störung von Computersystemen oder Kommunikation als Tatbestand festzulegen,
  • die Produktion, den Verkauf und den Vertrieb oder den anderweitigen Zugang zu Geräten zu verbieten, mit denen der illegale Zugang, das Abhören oder die Störung von Computersystemen oder Kommunikation möglich ist,
  • sowohl den Betrug mit und das Fälschen von Computerdaten als auch Urheberrechtsverletzungen zu bestrafen
  • auch Unternehmen für Verbrechen verantwortlich zu machen,
  • bestimmten Dienstleistern das Sammeln von Daten über ihre Kunden zu erlauben wenn es die Behörden verlangen und
  • mit anderen zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten um Beweismittel zu sichern und eines Computerverbrechens verdächtigte Personen auszuliefern.

Obwohl der Vertrag zunächst nur für die 41 Mitglieder der europäischen Ratsversammlung relevant ist, haben auch das US-Justizministerium und das FBI bei dem Entwurf mitgeholfen. In einer mittlerweile überarbeiteten Fassung wird festgelegt, dass der Einbruch in Computersysteme zu Testzwecken legal ist und dass ISPs nicht dazu verpflichtet werden, gigantische Datenmengen ohne konkreten Verdacht zu speichern; sie müssen ausschließlich spezifische Informationen, die einem Verdächtigen zugeordnet werden können, aufbewahren.

Mittlerweile wird auch hervorgehoben, dass der Vertrag kein nationales Recht aussticht. Das Abkommen soll im Juni nächsten Jahres von der Europäischen Ratsversammlung angenommen werden und innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre von den Mitgliedern in nationales Recht umgesetzt werden.

Der Europarat zählt derzeit 41 Mitgliedstaaten. Seit 1949 ist im Selbstverständnis des Rates die Festigung der Einheit des Kontinents und der Schutz der Würde der Bürger in Europa sein Hauptanliegen. Der Europarat versteht sich als „das demokratische Gewissen Europas“.

ZDNet.de Redaktion

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