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Protest gegen Urheberrechtsreform: Wikipedia-Blackout, Fünf Millionen Unterschriften

Wikipedia Deutschland hat heute, am 21. März, ganztägig das deutschsprachige Angebot des Online-Lexikons abgeschaltet. Die Aktion ist ein Protest gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform. Vor allem der Artikel 13 wird von den Wikipedia-Betreibern als mögliche Gefahr für die Zukunft des Internets im Allgemeinen und des Wikipedia-Angebots im Besonderen angesehen.

Artikel 13 sieht unter anderem vor, dass Plattformen oder Dienste, die von Nutzern generierte Inhalte online bereitstellen, für Urheberrechtsverstöße mit verantwortlich sind. Sie sollen künftig entweder vorab Lizenzen für diese Inhalte erwerben oder aktiv verhindern, dass nicht autorisierte Inhalte von Nutzern veröffentlicht werden. Wie andere Kritiker sieht auch Wikipedia Deutschland darin eine Verpflichtung zur Einrichtung von Upload-Filtern.

„Artikel 13 greift das bisher gültige ‚Notice-and-Takedown-Verfahren‘ an, wonach eine Plattform erst haftet, sobald sie von einer Urheberrechtsverletzung in Kenntnis gesetzt wurde und nichts unternimmt. Laut Artikel 13 wären Plattformen nun dazu verpflichtet, Lizenzen mit den Rechteinhabern von urheberrechtlich geschützten Inhalten abzuschließen. Es wird allerdings nicht definiert, mit welchen Rechteinhabern dies geschehen soll. Und da jeder Mensch mit Smartphone zum Urheber werden kann, müssten Plattformen mit praktisch jedem Menschen auf der Welt Lizenzen abschließen, was faktisch nicht möglich ist“, heißt es auf der Wikipedia-Website.

Die Haftung sei indes eigentlich nur mit strengen Upload-Filtern zu umgehen. Auch sei es Filtern nicht möglich, die in Artikel 13 genannten Ausnahmen wie Satire/Parodien, Kritik, Rezensionen und Zitate zu erkennen, was wahrscheinlich zu einer Beeinträchtigung der „Kunst-, Meinungs- und Pressefreiheit“ führen werde.

Wikipedia Deutschland betont, dass nichtkommerzielle Online-Enzyklopädien wie Wikipedia von der Reform ausgenommen seien, für Schwesterprojekte wie Wikimedia Commons gebe es bisher jedoch keine Rechtssicherheit. Außerdem habe selbst der Bundesdatenschutzbeauftrage darauf hingewiesen, dass wahrscheinlich nur große Internetanbieter in der Lage seien, alle Anforderungen des neuen EU-Urheberrechts zu erfüllen.

Da die Abstimmung des EU-Parlaments über den aktuellen Entwurf erst Ende März stattfindet, will Wikipedia Deutschland nun vorab mit der Komplettabschaltung am 21. März für 24 Stunden gegen das geplante Gesetz protestieren. In diesem Zeitraum soll auf der Website des Lexikons nur eine Stellungnahme zu sehen sein.

Die Abschaltung ist das Ergebnis einer Umfrage unter den Initiatoren und Unterstützern von Wikipedia Deutschland. Von ihnen stimmten 67,9 Prozent für einen Protest gegen die EU-Urheberrechtsreform. In einer weiteren Abstimmung sprachen sich 83,2 Prozent für die vollständige Abschaltung der deutschsprachigen Wikipedia am 21. März aus. Lediglich 16,8 Prozent wollten mit einem Protestbanner auf mögliche Nachteile der Reform aufmerksam machen.

Wikipedia protestiert gegen die geplante Urheberrechtsreform

DIES IST UNSERE LETZTE CHANCE. HELFEN SIE UNS, DAS URHEBERRECHT IN EUROPA ZU MODERNISIEREN.

Liebe Besucherin, lieber Besucher,

warum können Sie Wikipedia nicht wie gewohnt benutzen? Die Autorinnen und Autoren der Wikipedia haben sich entschieden, Wikipedia heute aus Protest gegen Teile der geplanten EU-Urheberrechtsreform abzuschalten. Dieses Gesetz soll am 26. März vom Parlament der Europäischen Union verabschiedet werden.

Die geplante Reform könnte dazu führen, dass das freie Internet erheblich eingeschränkt wird. Selbst kleinste Internetplattformen müssten Urheberrechtsverletzungen ihrer Userinnen und User präventiv unterbinden (Artikel 13 des geplanten Gesetzes), was in der Praxis nur mittels fehler- und missbrauchsanfälliger Upload-Filter umsetzbar wäre. Zudem müssten alle Webseiten für kurze Textausschnitte aus Presseerzeugnissen Lizenzen erwerben, um ein neu einzuführendes Verleger-Recht einzuhalten (Artikel 11). Beides zusammen könnte die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit erheblich beeinträchtigen.

Obwohl zumindest Wikipedia ausdrücklich von Artikel 13 der neuen Urheberrechtsrichtlinie ausgenommen ist (allerdings nicht von Artikel 11), wird das Freie Wissen selbst dann leiden, wenn Wikipedia eine Oase in der gefilterten Wüste des Internets bleibt.

Gegen die Reform in ihrer gegenwärtigen Fassung protestieren auch rund fünf Millionen Menschen in einer Petition, 145 Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen, Wirtschafts- und IT-Verbände (darunter Bitkom, der deutsche Start-Up-Verband oder der Chaos-Computer-Club), Internet-Pioniere wie Tim Berners-Lee, Journalistenverbände sowie Kreativschaffende.

Wir bitten Sie deshalb darum, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu kontaktieren und sie über Ihre Haltung zur geplanten Reform zu informieren.

Danke.

>>> Petition unterschreiben


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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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