Klickbetrug macht Google zu schaffen

Klickbetrug im Internet – hervorgerufen durch das betrügerische generieren von Klicks oder Seitenabrufen – macht besonders den Internet-Suchdiensten zu schaffen. Während dieses Thema in Deutschland wenig bekannt ist, steht es in den USA ganz oben auf der Gefahrenliste. Die Fahnder haben bereits einige heiße Spuren. Eine davon führt nach Indien.

Geschenkt gibt es nichts. Entsprechend überrascht war Ralf-Dieter Brunowsky, Chef der Kölner Kommunikationsberatung Brunomedia, über eine Mail, die er vom Deutschland-Ableger der Internet-Suchmaschine Google erhielt: „Wir möchten Sie darüber informieren, dass Sie innerhalb der nächsten Werktage eine Rückbuchung auf Ihre Kreditkarte in Höhe von Euro 193,35 für eine ungültige Klickaktivität durch eine Drittpartei erhalten“, kündigte das „Google AdWords-Team“ an. Und weiter: „Wie Sie vielleicht wissen, kommt es zu einer ungültigen Klickaktivität, wenn Personen auf betrügerische Weise Klicks oder Seitenabrufen generieren.“

Brunowsky wusste es nicht. Kein Wunder: Das Thema Klickbetrug ist in Deutschland kaum bekannt – im Gegensatz zu den USA. Googles Finanzvorstand George Reyes nannte das Problem bei einer Investorenkonferenz im Dezember die „größte Gefahr für die Internetwirtschaft“.

„Etwas muss dagegen schnell unternommen werden, weil es unser Geschäftsmodell gefährdet,“ sagte Reyes. Für Konkurrent Yahoo bemerkt Anzeigen-Produktmanager John Slade: „Jeder, der behauptet, dies sei keine echte Herausforderung, macht Witze.“

Woher aber rührt diese Angst? Ganz einfach, 99 Prozent der Einnahmen von Google stammen aus der Werbung. Da es bei der Suchmaschine keine grafischen Anzeigen geben soll, die sich penetrant über den Bildschirm legen, und auch keine sich extra öffnenden Reklamefenster, bleiben nur schlichte Textanzeigen. Deren Preis richtet sich nach den Suchwörtern, an die sie gekoppelt sind, und der Häufigkeit, mit der auf sie geklickt wird. Wer zum Beispiel „Scheidung“ eingibt, bekommt bei Google auf der rechten Seite Anzeigen von Anwälten angezeigt. Solche Anzeigen-Suchwort-Kopplungen versteigert die Suchmaschine.

Teuerstes Suchwort ist in den USA „mesothelioma“, eine Krebsart, die durch Asbest erzeugt wird – vor allem auf Schadensersatzklagen spezialisierte Anwälte balgen sich darum, im Umfeld der Suchergebnisse angezeigt zu werden. Wer hier wirbt, zahlt bis zu 90 Dollar, wenn ein Surfer auf diese Textzeile klickt und dann auf die Seite des Anzeigenkunden gelenkt wird – womit der Reiz des Betrugs beginnt. Denn jeder Klick kostet den Werbenden Geld. Im günstigsten Fall hat er ein Monatslimit gesetzt, nach dessen Erreichen die Anzeige nicht mehr gezeigt wird. Wer also einem Werbetreibenden Böses will, kann ihn entweder ärmer machen – oder anzeigenlos.

Neu ist dieses Problem nicht: Schon 2001 gab es einen ersten, dokumentierten Fall. Damals kosteten die Klicks eines Konkurrenten die Chase Law Group mehrere zehntausend Dollar. Doch nun scheinen die Betrugsfälle sprunghaft anzusteigen.

Nathan McKelvey führt Charterauction.com, eine Internetplattform aus Massachusetts, über die Privatjets gechartert werden können. Auch er bekam wie Brunowsky unerwartet Geld zurück. Yahoo zahlte 69,28 Dollar wegen „ungültiger Klickaktivitäten“. Kurz darauf folgte Google mit einer Rückerstattung von 16,91 Dollar.

McKelvey war seit Gründung seiner Firma 1999 Anhänger der Suchmaschinenanzeigen. Ende 2002 brachte sein monatliches Budget von 20.000 Dollar ihm bis zu 70 Kundenanfragen täglich. Doch im vergangenen Jahr kamen die freiwilligen Rückzahlungen. McKelvey war ratlos. Und wurde misstrauisch. Doch Yahoo reagierte auf seine Fragen gar nicht, Google verriet keine Details.

Im Herbst kam bei einem Telefonat die Rede zufällig auf das Thema. Gesprächspartner war Wayne Rizzi, Chef von Charterauction-Konkurrent Air Royale. Auch er hatte Geld zurückbekommen – und eine Spur: eine Internetadresse, von der häufig auf Anzeigen von Air Royale geklickt wurde.

Die Spur führte Rizzi und McKelvey zum Zugangsanbieter Bridgecom. Und der gab – was legal, aber ungewöhnlich ist – preis, an wen er die Adresse vergeben hatte: Blue Star Jets, einen Rivalen von Air Royale und Charterauction. Von hier gingen 3. 300 Klicks alleine auf die Seite von Charterauction. Blue-Star-Marketingchef Howard Moss verteidigt sich: Einige seiner Leute seien auf der Suche nach Informationen zu den Seiten der Rivalen gesurft: „Es ist amüsant zu glauben, unsere Mitarbeiter konzentrierten sich darauf, die Werbekosten der Konkurrenz um hundert Dollar oder so hochzutreiben.“

Dienstleister indes haben schon erkannt, dass manchem Unternehmen daran gelegen ist, Rivalen zu schädigen. Zum Beispiel die indische Click2freemoney. Jeder kann sich hier anmelden, erhält E-Mails mit Werbelinks und bekommt einen kleinen Betrag, wenn er auf diese Anzeigen klickt. Der reicht nicht, um in Europa oder den USA Massen zu mobilisieren. In armen Ländern wie Indien jedoch sind die Winzbeträge ein guter Nebenverdienst, behauptet die „Times of India“. Menschen aber sind nicht mal mehr nötig: Auch Software ist schon auf dem Markt, die automatisch Anzeigen anwählt. Die Online-Marketing-Beratung Quigo schätzt, dass in den USA fünf bis 13 Prozent aller Klicks in den Bereich Betrug fallen. Schon beschäftigen sich US-Gerichte mit Klickbetrug. Im Februar reichte der Kitsch- und Puppenhändler Lane´s Gifts & Collectibles aus Arkansas eine Klage gegen Google, Yahoo und weitere Suchmaschinen ein. Vorwurf: Sie würden Geld für Klicks auf Anzeigen berechnen, obwohl sie wüssten, dass die Klickenden betrügerische Absichten hätten.

„Klickbetrug ist für uns in Deutschland ein Thema“, sagt Stefan Keuchel, Unternehmenssprecher von Google Deutschland. Jedoch bewege sich die Zahl der Fälle stabil im Promillebereich aller Werbetreibenden. Auch Yahoo-Deutschland sieht keine wachsende Bedrohung. Andere schon. Marius Schulze, Projektmanager der E-Business-Beratung Trafficax: Rückzahlungen seien auch hier zu Lande nichts Ungewöhnliches. „Die Vermarkter spielen das Problem gern herunter.“

Der Kunde selbst merkt in der Regel erst etwas, wenn er Geld zurückerstattet bekommt. Ausführlichere Informationen, wer denn wann geklickt haben könnte, gibt es auch auf Anfrage bei den Suchmaschinen in der Regel nicht. In Kürze soll eine kostenlose Software aus dem Hause Trafficmaxx Anzeigenkunden helfen, verspricht Schulze.

Im Gegenzug reagiert Google aus Schulzes Erfahrung schnell, wenn ein Anzeigenkunde sich beschwert. „Als das Thema aufkam, wurde offensichtlich auch das System angepasst“, sagt der Berater. Google selbst sagt nichts zu Gegenmaßnahmen gegen Betrug. Begründung: Diese ließen sich sonst leichter umgehen.

So entsteht ein Dilemma, das der amerikanische Internetberater Ben Edelman so beschreibt: „Die Suchmaschinen haben keinen Anreiz, mehr gegen den Klickbetrug zu tun, aber sie haben die Daten. Die Anzeigenkunden haben den Anreiz, aber nicht die Daten.“ Charterauction.com-Chef McKelvey reagiert darauf so, wie Google es am meisten fürchtet: Er hat sein Anzeigenbudget runtergeschraubt – von 20.000 Dollar im Monat auf 1000 Dollar.

ZDNet.de Redaktion

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