E-Learning wird nur wenig angenommen

E-Learning ist generell eine gute Idee. Vielen Multimedia-Angeboten – gerade im medizinischen Bereich – mangelt es aber an Akzeptanz und Einnahmequellen. Um Patienten mit bestmöglichen Methoden helfen zu können, ist lebenslanges Lernen für viele Mediziner eine Selbstverständlichkeit. Selbst diejenigen, die wenig Zeit oder Lust haben, sich fortzubilden, werden seit 2004 durch die Vorgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen gezwungen, ihre Weiterbildungsbemühungen durch den Erwerb von Fortbildungspunkten nachzuweisen. Die können Mediziner am Wochenende in Kursen erwerben oder in der Mittagspause in ihrer eigenen Praxis, indem sie sich bei E-Learning-Angeboten wie Medizinerwissen.de einwählen.

Mit Hilfe von 16 Fortbildungsmodulen hilft das von der Privatuniversität Witten/Herdecke ins Leben gerufene Portal, abzuschätzen, welche Blutdrucksenker die Lebenserwartung erhöhen oder wann eine Röntgenaufnahme bei Rückenschmerzen sinnvoll ist. Wer eine anschließende Onlinebefragung bestanden hat, kann sich eine von der Ärztekammer Westfalen-Lippe zertifizierte Fortbildungsbescheinung ausdrucken. Die Kassenärztlichen Vereinigungen erkennen bundesweit die Online erworbenen Fortbildungspunkte an.

Wie viele andere E-Learning-Angebote ist ein Medizinerportal eine gute Idee: Zeit- und orts-unabhängig zu lernen, ist für viele Ärzte einfacher als Arbeits- oder Freizeit für Präsenzkurse aufzuwenden. Dennoch haben bislang gerade mal 2000 Mediziner die jeweils neun Euro teuren Kurse absolviert. Von einer Kostendeckung ist das Projekt damit weit entfernt. Neben der Privatuniversität finanziert inzwischen auch das Pharmaunternehmen Janssen-Cilag das Angebot.

Dabei ist die Medizinerseite für ein E-Learning-Projekt noch verhältnismäßig erfolgreich. Etliche andere Anbieter strichen 2004 die Segel. Der Schulungsanbieter GFN AG und seine Tochter, die GFN E-Learning AG, meldete im Herbst Insolvenz an, zugleich ging nach nur einem Jahr der von Deutscher Telekom AG und dem Land Bremen gegründeten Bildung Plus eLearning GmbH die Luft aus. Die Virtuelle Hochschule Bayern, ein Vorzeigeprojekt des Landes, musste zum Beispiel von der Landesregierung vor der Pleite gerettet werde. Das Problem: E-Learning-Angebote rechnen sich derzeit nur in den seltensten Fällen. Sobald die staatliche Förderung ausläuft, gehen vielerorts die Lichter aus.

„Im Bereich der Technologien haben die meisten Produkte und Projekte einen guten Reifegrad“, sagt Martin Atallah, der die E-Learning- Aktivitäten der deutschen Fraunhofer Institute koordiniert. Auch die wachsende Zahl der Breitbandanschlüsse in Deutschland sorgt dafür, dass selbst komplexe Multimediaangebote von ausreichend vielen Nutzern abgerufen werden können – wenn diese denn daran Interesse haben. Doch gerade daran hapert es. „Das E-Learning-Potenzial insgesamt ist möglicherweise überschätzt worden“, räumt Martin Butzlaff, Projektleiter von Medizinerwissen.de, ein.

Viele E-Learning-Inhalte verschmelzen zudem immer enger mit anderen Informationsangeboten, auf die Bildschirmarbeiter zugreifen. Dies ist vor allem in Großunternehmen der Fall, die digitale Lernangebote in ihre Intranets integriert haben. Bei Siemens organisch gewachsenem Wissensnetzwerk „ShareNet“ ist heute zum Beispiel kaum noch auszumachen, was einst als E-Learning- und was als Wissensmanagement-Projekt begann.

„Beide Elemente haben die gleiche Ausrichtung, sie wollen Qualifizierungsprobleme lösen“, sagt Fraunhofer-Experte Atallah. „Die technologischen Möglichkeiten führen dazu, dass sie miteinander verschmelzen.“ Entscheidend sei dabei, dass die Mitarbeiter mit Hilfe von Suchfunktionen direkt bei der Arbeit auf Lösungen und Bildungsangebote stößt.

„Die größte Dynamik beim E-Learning beobachten wir bei der Unterstützung von Lernprozessen direkt in den Arbeitsabläufen und nicht bei der Bildung auf Vorrat“, sagt der Experte. Auf der Learntec-Messe in Karlsruhe (15. bis 18.2.2005) werden die Forscher des Magdeburger Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) als Schwerpunkt eine Trainingslösung vorstellen, die Anlagenbauern die flexible Weiterbildung am Arbeitsplatz ermöglicht. Das Virtuell-interaktive Training (VIT) erlaubt es, in einer dreidimensionalen realitätsnahen Umgebung an virtuellen Maschinen zu trainieren. Die Übungsangebote können vor Ort durch das Servicepersonal oder Vorgesetzte weiterentwickelt werden.

Modelle für die direkte Hilfe am Arbeitsplatz entwickeln die Fraunhofer-Forscher zudem mit der SAP AG. Beim Walldorfer Softwarehersteller werden die arbeitsprozess- unterstützenden Lernmodule derzeit in der Praxis erprobt.

ZDNet.de Redaktion

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