Categories: Unternehmen

Schöne neue IT-Arbeitswelt: Soziologen entdecken vier neue Typen

Neue Medien haben die Arbeitswelt umgekrempelt. Allerdings werden die Möglichkeiten von Internet & Co. unterschiedlich gern und gut genutzt, lautet das Ergebnis einer Untersuchung von Soziologen der TU Chemnitz. Unter Leitung von Günter Voß, Inhaber der Professur für Industrie- und Techniksoziologie, wurden vier unterschiedliche neue Arbeitsstile ermittelt. Dafür wurden 50 Einzelfälle in Interviews, Expertengesprächen, Betriebsbegehungen und Arbeitsplatzbeobachtungen unter die Lupe genommen. Hier die vier Arbeitsstile:

  • Der Innovator: Getrieben von einer allgemeinen Technikeuphorie nimmt der „Innovator“ neueste Technologien eindimensional als positiv wahr und nutzt sie sogar als Strukturierungsmittel für das eigene Leben. Er versteht sich als Trendsetter, der sich mehr für die technologisch effiziente Lösung interessiert als für den konkreten Inhalt einer Arbeitsaufgabe. „Innovatoren“ sind eher Einzelkämpfer denn Mannschaftsspieler. Arbeit und Leben bilden eine Einheit und die üblichen Zeitstrukturen des Alltags sind nahezu gänzlich aufgehoben.
  • Der Entdecker: Auch der „Entdecker“ steht den neuen Medien sehr positiv gegenüber – allerdings pickt er sich aus dem Angebot vor allem das heraus, was sich nutzbringend in das Arbeitsleben integrieren lässt. Mit diesem Wissen reorganisiert er bisweilen mit hohem Einsatz gesamte Arbeitsstrukturen, um die Abläufe sinnvoll zu optimieren. Dafür wird die Trennung von Arbeit und Leben partiell aufgehoben, um auch hier neue tragfähige Strukturen zu erproben und schließlich zu verstetigen.
  • Der Abwägende: Der „Abwägende“ steht neuen Technologien insgesamt nüchtern gegenüber. Er kennt Möglichkeiten und Grenzen und begrüßt ihren Einsatz, solange sie funktional sind. Vor allem für diejenigen, die vergleichsweise stark auf den Familien- und Freizeitbereich orientiert sind, steht die ausgewogene Vereinbarkeit von Arbeit und Leben im Vordergrund. Neue Medien versprechen autonome Spielräume. In der Freizeit spielen Technologien eine eher geringe Rolle.
  • Der Ergebene: Aus Sicht des „Ergebenen“ sind neue Medien mit neuen Belastungen gleichzusetzen. Persönliche Beziehungen zu Kollegen oder Kunden sieht er durch neuartige Technologien gefährdet. Insbesondere Ältere entwickeln wegen mangelnder Erfahrung eine versteckte Technikdistanz, die sie dann durch einen höheren persönlichen Einsatz und längere Arbeitszeiten ausgleichen müssen. Aus Angst vor Herabstufung oder Entlassung verschweigen sie, was sie belastet. Ihre Freizeit gestalten die Ergebenen überwiegend technikfrei.

Aus den vorliegenden Ergebnissen zieht das Forscherteam, zu dem neben Voß auch die Soziologen Ingo Matuschek und Frank Kleemann gehören, folgende Konsequenzen: Um die Potenziale neuer Medien auszuschöpfen und Ängste abzubauen, seien intensive und vor allem individuelle Schulungen notwendig. Zudem müssten die von einer Umstellung auf medienvermittelte Arbeit betroffenen Mitarbeiter direkt einbezogen werden, damit sie ihre neuen Aufgaben akzeptieren und mittragen. Und nicht zuletzt seien autonomiefördernde Management-Ansätze gefragt, die genau dazu befähigen und die Menschen nicht als bloße Anhängsel technologischer Rationalität missachten.

„Es wird auch bei der medienvermittelten Arbeit Gewinner und Verlierer geben“, sagt Matuschek. „Für die Politik und die Betriebe muss es das Ziel sein, dass die Chancen einer selbstverantwortlichen Arbeitsorganisation die Gefahren, fernab jeglicher Anbindung agieren zu müssen, überwiegen.“

Kontakt: Ingo Matuschek, Forschungsmitarbeiter an der Professur für Industrie- und Techniksoziologie der TU Chemnitz, Tel.: 0371/5314488 (günstigsten Tarif anzeigen)

ZDNet.de Redaktion

Recent Posts

Cyberabwehr: Mindestens zwei kritische Vorfälle pro Tag

Davon entfällt ein Viertel auf staatliche Einrichtungen und 12 Prozent auf Industrieunternehmen.

40 Minuten ago

Tunnelvision: Exploit umgeht VPN-Verschlüsselung

Forscher umgehen die Verschlüsselung und erhalten Zugriff auf VPN-Datenverkehr im Klartext. Für ihren Angriff benötigen…

57 Minuten ago

Online-Banking: 42 Prozent kehren Filialen den Rücken

Weitere 40 Prozent der Deutschen erledigen ihre Geldgeschäfte überwiegend online und gehen nur noch selten…

3 Stunden ago

Google veröffentlicht neues Sicherheitsupdate für Chrome

Zwei Schwachstellen in Chrome gehören nun der Vergangenheit an. Von ihnen geht ein hohes Risiko…

7 Stunden ago

Digitale Souveränität: ein essenzieller Erfolgsfaktor für Unternehmen

Mit der zunehmenden computerbasierten und globalen Vernetzung gewinnt die digitale Souveränität an rasanter Bedeutung. Viele…

8 Stunden ago

Google schließt kritische Sicherheitslücke in Android 14

Weitere schwerwiegende Fehler stecken in Android 12 und 13. Insgesamt bringt der Mai-Patchday 29 Fixes.

23 Stunden ago