OS-Migration: Alles offen im Wettstreit um Open-Source

Man sollte einen Verfechter von Open-Source lieber nicht nach seiner Meinung über Microsoft fragen – es sei denn, man hat Lust, einen substanzlosen 15-Minuten-Vortrag über sich ergehen zu lassen. Die Befürworter von Open-Source vertreten die Auffassung, dass Unternehmen nur dann am Open-Source-Markt teilnehmen dürfen, wenn sie im Gegenzug dazu bereit sind, einen Teil ihres geistigen Eigentums zur Verfügung zu stellen, im Austausch dafür, dass der Markt ihnen hilft, ihre Software zu „verbessern“. Und in der Tat waren sie sehr erfolgreich, Regierungen dazu zu bringen, den Einsatz proprietärer Software entweder ganz zu unterlassen oder deren Hersteller dazu zu zwingen, ihren Quellcode zu Inspektionszwecken offen zu legen. Microsoft hat sich für Letzteres entschieden.

In einem Versuch, etwas von dem Druck wegzunehmen, den einige ausländische Regierungen in Bezug auf den Zugang zum Quellcode ausüben, hat Microsoft mit China – dem weltweit größten Software-Piraten – eine Vereinbarung über den Zugang zum Quellcode von Windows getroffen. Auch wenn dieser Zugang nur hinter verschlossenen Türen und unter strenger Aufsicht stattfindet und keinerlei Veränderungen des Codes zulässt, begegnet Microsoft damit doch dem Haupteinwand, der von Open-Source-Vertretern erhoben wird: „Wenn ich den Code nicht kenne, woher soll ich wissen, wie er genau funktioniert oder wie man mit ihm interagieren kann?“ Die Bereitschaft von Microsoft, den Zugang zum Quellcode zu ermöglichen, ohne jedoch Veränderungen durch den Kunden zuzulassen, dürfte einige Regierungen beschwichtigen, aber kaum alle. Microsofts neue Politik in Bezug auf die Verwendung des Quellcodes von Windows CE könnte jedoch ein Indiz dafür sein, dass Redmond noch einige Überraschungen parat hat.

Hardware-Anbieter und OEMs, die auf der Windows CE-Plattform basierende Lösungen entwickeln, können sich für ein neues Programm registrieren lassen, in dessen Rahmen sie den Quellcode für Windows CE erhalten, modifizieren und verändern dürfen. Schon seit einem Jahr steht dieser Code für akademische Zwecke unter ähnlichen Lizenzbedingungen zur Verfügung, aber dies ist das erste Mal, dass Microsoft den Quellcode eines Betriebssystems für kommerzielle Anwender hinsichtlich jeder Plattform lizenzieren. Die Sache hat natürlich einen Haken: Alle Änderungen am Code müssen wiederum Microsoft zur Verfügung gestellt werden – und zwar kostenlos. Und Microsoft hat zugestimmt, die im Gegenzug lizenzierten neuen Funktionen für mindestens sechs Monate nicht in das eigentliche Windows CE-Betriebssystem zu übernehmen, was dem Unternehmen ermöglicht, seine Investitionen wieder hereinzuholen. Diese Vereinbarung ist der Lizenzvereinbarung von Linux nicht ganz unähnlich, außer dass hier der Nutznießer der Offenlegung des Quellcodes zuerst eine einzelne Firma ist statt direkt die Allgemeinheit. Aber auf jeden Fall kommt die Allgemeinheit letztlich in den Genuss der Erweiterungen.

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ZDNet.de Redaktion

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