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Infineon verabschiedet sich von Siemens

Fünf Jahre nach dem Börsengang baut Infineon eine eigene Konzernzentrale – und zwar in München. Das Areal wird einer Parklandschaft mehr gleichen als einem Büroquartier und auch Freizeiteinrichtungen werden die Mitarbeiter locken.

„Sehen sie die Zugspitze?“ Bernhard Heinemann zeigt auf die tief verschneiten Berge in der Ferne. „Dort, rechts außen, das ist Deutschlands höchster Berg.“ Der Blick vom obersten Stockwerk der neuen Firmenzentrale von Infineon ist atemberaubend. Bei gutem Wetter reicht die Sicht über das tief grüne Voralpenland bis weit in die Alpen hinein. Dann dreht sich Heinemann um, schaut gen Norden, Richtung Münchener Innenstadt. „Da oben die Türme der Frauenkirche, dahinter das Olympiastadion.“ Der Infineon-Manager kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass der stämmige Mann Besuchern die grandiose Aussicht präsentiert. Heinemann ist verantwortlich für den Neubau der Konzernzentrale des größten europäischen Halbleiterproduzenten und deshalb fast jeden Tag auf dem Gelände. 6 000 Mitarbeiter sollen ab Herbst an den südlichen Stadtrand von München ziehen, in die kleine Gemeinde Neubiberg. Statt an neun Standorten verteilt in ganz München werden die Chipspezialisten dann unter einem Dach versammelt sein.

Doch es ist kein gewöhnlicher Umzug. Wenn Infineon bald die neuen Gebäude bezieht, dann kappt das Unternehmen auch die letzten Bande zur früheren Konzernmutter Siemens. Der Technologiekonzern hat seine Halbleitersparte 2000 an die Börse gebracht – bis heute sind die Infineon-Beschäftigten jedoch in Siemens-Räumen untergebracht, teilen sich mit den Ex-Kollegen sogar noch die Kantinen.

Die räumliche Trennung von der früheren Mutter ist aber nicht die einzige Besonderheit: Infineon hat sich nicht einfach eine neue Zentrale bauen lassen. Das 62 Hektar große Areal neben dem Stadion des Fußball-Zweitligisten Unterhaching gleicht eher einer Parklandschaft als einem Büroquartier. Das soll auch der Name des Projekts ausdrücken: „Campeon“, eine Verbindung aus Campus und Infineon.

„Hier verwirklichen wir die Idee des Arbeitens im Grünen“, sagt Stefan Handke, Geschäftsführer der Moto Projektmanagement GmbH. Der Berliner leitet die Großbaustelle mit ihren 1700 Arbeitern. Bauherr ist nicht Infineon selbst, sondern die Moto Objekt Campeon GmbH & Co KG, ein Unternehmen, hinter dem die Commerz Leasing steckt, die wiederum eine Tochter der Commerzbank ist. Infineon hat den Komplex für 15 Jahre gemietet.

In diesen Tagen rollt ein LKW nach dem anderen auf die je nach Wetter schlammige oder staubige Magistrale zwischen den sieben Gebäuden. An den Rändern des Geländes fließt bereits das Wasser in sieben Seen, die eines Tages der Erholung dienen sollen. Auf Klimaanlagen wurde bewusst verzichtet. Handke: „Im Sommer schicken wird zur Kühlung der Gebäude Wasser durch Röhren in den Decken.“

Campeon wird, wenn es einmal fertig ist, eine kleine Stadt sein. Zu dem Komplex gehört ein Fitness-Studio, eine Kletterwand, Beachvolleyballplätze, ein Joggingpfad und eine Kindertagesstätte, ein Reisebüro und eine Bank. Angesichts dieser Arbeitsumgebung findet selbst die gegenüber Infineon sonst kritisch eingestellte IG Metall wohlwollende Worte: „Wir freuen uns vor allem, dass Infineon in München bleibt“, sagt Gewerkschaftssekretär Michael Leppek und erinnert an die Zeit, als der frühere Konzernchef Ulrich Schumacher die Zentrale in die Schweiz verlegen wollte. Doch die Verlagerungspläne sind ebenso Geschichte wie Schumacher, der im Frühjahr 2004 gehen musste.

So ganz wohl ist es Leppek beim Gedanken an Campeon aber immer noch nicht. Der Gewerkschafter fürchtet, dass sich Infineon im Zuge des Umzugs von unliebsamen Mitarbeitern trennen wird nach dem Motto: „Wer keinen Schreibtisch in den neuen Gebäuden bekommt, der muss gehen.“ Davon will der Konzern nichts wissen. „Wir sparen Miete, unsere Leute können besser miteinander kommunizieren, Campeon ist rundum eine gute Sache für alle Beschäftigten“, sagt Projektleiter Heinemann.

ZDNet.de Redaktion

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