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Deutschland vor Hybrid-Cloud-Welle

Im Auftrag von Nutanix befragte das Marktforschungsunternehmen Vanson Bourne im Rahmen des nach 2018 zum zweiten Mal erhobenen Enterprise Cloud Index Mitte des Jahres 2019 2650 IT-Entscheider zum Thema Cloud. Sie kamen aus Unternehmen unterschiedlicher Größe, verschiedenen Branchen und der ganzen Welt, darunter auch viele aus Deutschland. Die deutsche Version der Studie befindet sich hier.

Eher überraschend nach der jahrelangen Skepsis: Deutsche Anwender bewerten die Public Cloud positiver als die IT-Manager anderswo. Während durchschnittlich im Raum EMEA nur ungefähr 34 Prozent und global etwas mehr als 37 Prozent sich vollständig zufrieden mit Public Clouds zeigten, waren es in Deutschland die Hälfte der Anwender. Übertroffen wird dies nur noch von wenigen Ländern, beispielsweise von Indien (über 70 Prozent).

Das liegt vielleicht auch daran, dass hiesige Anwender die Public-Cloud-Kosten besser im Griff haben als andere: Nur 25 Prozent berichteten 2019 von Budgetüberschreitungen, im Vorjahr waren es noch knapp 63 Prozent, ein Minus von knapp 40 Prozent. Weltweit betrachtet, überschritten 2019 dagegen rund 64 Prozent der Anwender ihr geplantes Public-Cloud-Budget.

Deutsche Anwender sind hinsichtlich der Implementierung von Apps in der Public Cloud kritischer als andere: 76 Prozent wollen bestimmte Apps von der Public Cloud zurück auf On-Prem-Infrastruktur verschieben (Grafik: Nutanix).

Das liebe Geld treibt möglicherweise deshalb bei deutschen Anwendern nicht mehr vor allem Cloud-Entscheidungen. Kostenbezogene Themen tauchen als Treiber hinter den Cloud-Entscheidungen bei den deutschen Befragten erst auf Platz fünf (Capex durch Opex ersetzen, gut 39 Prozent) und sieben (absolute Kostenvorteile, gut 37 Prozent) auf. Weltweit und auch im Raum EMEA liegen absolute Kostenvorteile dagegen ganz oben auf der Treiberliste mit Zustimmungsraten deutlich über 50 Prozent.

Verbessertes Nutzungserlebnis und Sicherheit wichtigste Cloud-Treiber

Was nun steht nun an der Spitze der Treiber von Cloud-Entscheidungen? In Deutschland vor allem ein verbessertes Nutzungserlebnis. Wenigstens im Internet-Business soll wohl Schluss mit der „Servicewüste Deutschland“ sein. Es folgen Compliance und Sicherheit, auf Platz drei das Ausnutzen vorhandener Fähigkeiten und Fertigkeiten der Teams, auf Platz vier schnellere Deployments.
Ganz unten in der Prio-Liste mit Werten von etwa 17 Prozent rangiert die Unterstützung von Niederlassungen und Zweigstellen. Das überrascht angesichts des verbreiteten Lamentos über hohe Kosten der verteilten IT.

Sieht man sich an, was letztlich entscheidet, wo eine Applikation läuft, ist alles beim Alten: Hier stehen in Deutschland und EMEA Sicherheits- und Compliancethemen wie üblich mit 30 Prozent Nennungen an der Spitze, weltweit wird dieses Thema etwas geringer gewichtet. Die in Marketingpräsentationen gern für die Verlagerung auf die Public Cloud aufgeführten Themen Agilität, Leistung und Gesamtkosten werden dagegen von Anwendern aus Deutschland, EMEA und weltweit wesentlich geringer gewichtet. Die Gesamtkosten einer App beispielsweise werden von gerade noch 15 Prozent als wichtigster Faktor genannt. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit sollte die Public-Cloud-Branche besser berücksichtigen: Wenn sich am Ende das Management des Anwenders vor Gericht verantworten muss, zählen weder mehr Geld in der Kasse noch die schnelle Bereitstellung.

Zurück zu Legacy?

Die Daten brachten in einem Bereich eine Überraschung: Weltweit gaben 2019 viele Anwender an, einige Applikationen aus der Public Cloud auf On-Premise-Infrastrukturen zurückverlagern zu wollen. In Deutschland waren es 76 Prozent, global 73 Prozent und in EMEA 71 Prozent. In den an sich Public-Cloud-begeisterten Vereinigten Emiraten sagen sogar 92 Prozent, dass sie Applikationen zurückholen wollen – in der Schweiz nur 28 Prozent. Eine Erklärung für den niedrigen Wert der Schweiz wird in der Studie leider nicht angeboten. Dieser Trend widerspricht, wie sich später zeigen wird, aber nur oberflächlich betrachtet der hohen Public-Cloud-Zustimmungsrate.

Auf welchem Infrastrukturtyp liegen bestimmte Anwendungstypen in Deutschland? Leider vermischt die Abfrage Infrastruktur- (VDI, Microservices, Container, digitale Apps) hier mit Anwendungssoftwarekategorien (Enterprise-Apps wie ERP und CRM, die ja durchaus auch in Containern laufen können), so dass die Aussagekraft beschränkt ist.

Desktop- und Applikationsvirtualisierung laufen demnach überwiegend (58,3 Prozent) im traditionellen Datenzentrum, hier hat die Private Cloud deutlich Boden verloren, die Public Cloud etwas zugelegt. Enterprise-Applikationen wie ERP und CRM befinden sich vor allem auf Private Clouds (knapp 58 Prozent). Diese Applikationsklasse wurde häufig (-6,6 Prozent) aus der Public Cloud abgezogen, möglicherweise, weil die Daten doch zu wichtig für das Unternehmen sind, um sie dort aufzubewahren.

Container und Microservices liegen in Deutschland derzeit vermehrt in traditionellen Rechenzentren (knapp 40 Prozent, + 8,8 Prozent). Sie wurden seit 2018 relativ oft aus der Private Cloud herausverlagert. Auch die Public Cloud konnte bei diesem Applikationstyp nicht zulegen.
Immer öfter und eigentlich wenig überraschend laufen digitale Apps in der Public Cloud (36,8 Prozent, + 9,4 Prozent). Weltweit und in EMEA gilt das allerdings für schon rund 50 Prozent. In Deutschland liegen die Apps noch immer gern entweder auf der Private Cloud (44,7 Prozent) und im traditionellen Datenzentrum (30 Prozent). Beide haben aber im Vorjahresvergleich deutliche Verluste zu verzeichnen.

Hybrid- und Multicloud im Kommen

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland im Jahr 2019 kaum neue IT-Infrastrukturen bereitgestellt. Etwas (+5 Prozent, jetzt 8 Prozent) konnten Multicloud-Umgebungen zulegen, allerdings von einer geringen Basis von drei Prozent aus. Der Infrastrukturtyp Hybrid Cloud nahm erstaunlicherweise zwischen 2018 und 2019 um 10 Prozent ab – von 21 Prozent 2018 auf 11 Prozent 2019. Traditionelle Datenzentren dagegen legten noch einmal um ein Prozent zu (auf nun 59 Prozent). Private Clouds verloren um 8 Prozent (Anteil: 35 Prozent).

Mittelfristig dagegen plant Deutschland den Abschied vom privaten Rechenzentrum alter Machart. In drei bis fünf Jahren nämlich soll sich der Anteil traditioneller Rechenzentren auf 12 Prozent und damit um 47 Prozentpunkte verringern, die Private Cloud wird, geht alles nach Plan, 17 Prozent verlieren und dann einen Anteil von 18 Prozent haben. Zulegen können über den Prognosezeitraum multiple Public Clouds auf 15 Prozent (+ 7 Prozent) und vor allem hybride Clouds mit einem soliden Plus von 44 Prozent. 55 Prozent der befragten deutschen IT-Entscheider sehen sie über diesen Zeitraum als ihre Infrastrukturbasis.

Deutsche Anwender: aus Erfahrung klug geworden

Auf diesem Hintergrund ergeben auch die übrigen Ergebnisse der Untersuchung einen Sinn: In puncto Cloud haben Unternehmen in den vergangenen zwei bis drei Jahren einen Lernprozess durchlaufen. Private Clouds erweisen sich zunehmend als für die Unternehmen nicht zielführend, weil ihnen hier Public-Cloud-Anbieter aufgrund ihrer Erfahrung deutlich voraus sind.

Gleichzeitig wissen deutsche Anwender anscheinend nun genauer, was sie von einer Hybrid oder vielleicht später Multicloud wollen, wie man an das Thema herangeht und wie zu entscheiden ist, welche Apps wo am besten laufen. Dass die hiesigen IT-Spezialisten bei konkreten Platzierungsentscheidungen von Workloads Sicherheit und Compliance in den Vordergrund stellen, ist gerade angesichts der vielen Datenskandale eher ein Qualitätsbeweis. Und weil keine Erbringungsform für alle Applikationen taugt, werden wohl flexible Modelle wie Multi- und Hybrid-Cloud die IT-Infrastrukturwelt auch hierzulande über längere Zeit bestimmen.

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Kai Schmerer

Kai ist seit 2000 Mitglied der ZDNet-Redaktion, wo er zunächst den Bereich TechExpert leitete und 2005 zum Stellvertretenden Chefredakteur befördert wurde. Als Chefredakteur von ZDNet.de ist er seit 2008 tätig.

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